Dr. rer. nat. Sandra Krauß - Ernährung in den Wechseljahren
Veröffentlicht von Saskia Scheibel im August 2024
Wir haben mit Dr. rer. nat. Sandra Krauß über das Potenzial einer angepassten Ernährung in den Wechseljahren gesprochen. Sie führt eine ganzheitlich orientierte Praxis für Naturheilkunde und ist ausgebildete Heilpraktikerin, Ernährungs-, Mental- und Bewegungstherapeutin sowie Fitnesstrainerin. Im Bereich Ernährung hat sie sich u.a. auf die Themen Übergewicht, Regulation des Mikrobioms, stille Entzündungen, Hormone und Metabolisches Syndrom spezialisiert.
Ernährung kann das Wohlbefinden und die Gesundheit maßgeblich beeinflussen. Wie kann - ganz allgemein gefragt - unsere Ernährung die Hormone beeinflussen?
Für den Bau unserer Hormone brauchen wir entsprechende Bausteine, die wir durch die Ernährung bekommen. Für unsere Sexualhormone ist der Grundbaustein Cholesterin - das, was wir eigentlich immer so verteufeln, aber gar nicht daran denken, dass es viele wichtige Funktionen hat. Dann müssen wir die Hormone auch noch zusammensetzen und wieder abbauen, da es sonst zu hormonellen Dysbalancen kommen kann. Dafür brauchen wir verschiedene Helfer in Form von Enzymen und Coenzymen, für die wir wiederum bestimmte Vitalstoffe, wie Vitamine oder Mineralien brauchen.
Für unsere Sexualhormone ist einer der Grundbausteine Cholesterin - das, was wir eigentlich immer so verteufeln, aber gar nicht daran denken, dass es auch wichtige Funktionen hat.
Gibt es denn bekannte Ernährungsformen, die der Gesundheit in den Wechseljahren besonders zuträglich sind?
Man muss das immer individuell betrachten, es gibt nicht die Ernährungsform, die für alle Frauen in den Wechseljahren funktioniert. Aber grundsätzlich, aus meiner Erfahrung heraus, würde ich sagen, dass eine sinnvolle Low Carb Ernährung sehr viel Unterstützung bieten kann. Angelehnt an eine traditionelle mediterrane Ernährung - das heißt, viel Gemüse gepaart mit guten Ölen und Fetten sowie ausreichend gesundes Eiweiß. Wir haben heute oft das Thema, dass wir zu viel von den falschen Dingen essen und unseren Körper mit Zucker überfluten, dazu zählen sämtliche Weißmehlprodukte und verarbeitete Lebensmittel.
Welche konkreten Beschwerden, die Wechseljahre mit sich bringen, kann man mit bewusster Ernährung lindern bzw. verhindern?
Prinzipiell kann man sagen, dass Frauen oftmals nicht mehr dieselben Dinge im selben Maße essen können wie vor den Wechseljahren, da wir mehr zu Unverträglichkeiten neigen durch die hormonelle Umstellung. Histaminhaltige Lebensmittel, Fruktose oder Laktose werden zum Beispiel häufig schlechter vertragen. Frauen können dann z.B. Kopfschmerzen bekommen sowie Verdauungsprobleme, Herzklopfen, Hautprobleme oder auch schlechter schlafen.
Hormonell bedingte Gewichtszunahme ist auch etwas, worunter viele Frauen in den Wechseljahren leiden. Frauen sind dann oft irritiert und denken “Ich konnte doch immer so viel davon essen.”, aber man muss sich in der Zeit neu orientieren und herausfinden, was dem Körper jetzt gut tut. Das muss jede Frau individuell für sich ausprobieren. Grundsätzlich kann man mit der Ernährung viel erreichen.
Frauen können oftmals nicht mehr dieselben Dinge im selben Maße essen wie vor den Wechseljahren. (...) Histaminhaltige Lebensmittel, Fruktose oder Laktose werden zum Beispiel häufig schlechter vertragen.
Würde sich deine Empfehlung im Laufe der Phasen der Wechseljahre ändern, also zwischen der Prämenopause, Perimenopause und Postmenopause oder auch innerhalb eines Zyklus, wenn er noch vorhanden ist?
Es zeigt sich durchaus, dass es sehr viel Sinn ergibt, zu differenzieren und sich detaillierter anzuschauen, was dem Körper fehlt bzw. wovon er zu viel hat. Also, worin besteht vielleicht ein Ungleichgewicht an Hormonen, gerade in der Prämenopause?
Zu Beginn spüren wir ja vor allem den Progesteronmangel sehr stark. Da kann man überlegen, Lebensmittel zuzuführen, die vielleicht die Progesteronbildung unterstützen können.
Die Wechseljahre sind anfangs ja ein bisschen wie eine Dauerschleife der zweiten Zyklushälfte, die nicht mehr so ganz aufhören mag, so kommt es einem fast vor. Hier kann man z.B. mit Mönchspfeffer, Schafgarbe, Yamswurzel, Beifuß oder Bockshornklee unterstützen. Ich denke hier aber auch an Walnüsse oder Sesam, Milchprodukte, wer das mag und verträgt, oder Eier.
Wenn das Östrogen abnimmt, also in der Perimenopause oder auch der Postmenopause, kann man mit Phytohormonen, die dem Östrogen ähnlich sind, arbeiten: Rotklee, Brennnessel, Traubensilberkerze oder über die Ernährung auch mit Soja, Leinsamen und Mandeln unterstützen.
Interview mit Dr. Sandra Krauss
Was sind deine Top 3 Ernährungstipps für die Wechseljahre?
Gute individuelle Sattmacher finden: Es ist ganz entscheidend, für sich selbst einen Weg zu finden, zufrieden und gesund satt zu werden. Es ist wichtig, dass wir uns wohlfühlen und satt werden. Ein Blick auf den Ballaststoffgehalt der Lebensmittel kann ein guter Indikator sein, je mehr desto besser. Neben Ballaststoffen sind auch gute Fette und Proteine für die Sättigung wichtig. Vielleicht auch mal für eine Weile den Blutzucker messen, um zu sehen, wie der Körper auf welche Lebensmittel, z.B. bezogen auf Glucose Spitzen, reagiert. Das ist etwas umständlich, kann aber sehr interessant sein. Denn ein ständiges Auf und Ab des Blutzuckers macht uns hungrig, unzufrieden und müde. Manche Menschen haben dafür bereits ein gutes Körpergefühl, sodass sie das auch ohne Messung gut einschätzen können.
Qualität statt Quantität: Wir sollten versuchen, uns mit hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen, dabei ist es weniger wichtig, ob man z.B. Fleisch oder Milch isst oder nicht - wenn ja, dann würde ich für gutes Weidetier Produkte plädieren, wo es möglich ist. Ansonsten empfehle ich regionale Produkte. Und bei Gemüse gerne auch saisonale Arten für eine gute Versorgung mit Vitalstoffen als Versorgungsgrundlage.
Fasten und Feiern: Eine gesunde Mischung aus “Heute darf ich mal über die Stränge schlagen” und dann auch wieder eine Phase des bewusst gesunden Konsums und der Zurückhaltung einbauen, z.B. über Fasten, macht Sinn. Dabei funktionieren Intervallfasten, Scheinfasten oder auch mal “richtige Fastentage” sehr gut. Man darf nur nicht mehr fasten als essen, denn dann kommt man schnell in einen Mangel. Das merken wir dann auch gleich an unserer Stimmung. Denn dann fehlen die Bausteine für ausgeglichene Hormone und Neurotransmitter, die gerade in den Wechseljahren sehr wichtig sind.
Die Wechseljahre sind anfangs ja ein bisschen wie eine Dauerschleife der zweiten Zyklushälfte, die nicht mehr so ganz aufhören mag.
Nochmal auf den Punkt gebracht: Was sollten Frauen in den Wechseljahren vermeiden, was die Ernährung angeht?
Das ist eine gute Überleitung, ich finde wirklich, dass Dauerdiäten vermieden werden sollten, auch wenn Frauen unter einer Gewichtszunahme in den Wechseljahren vielleicht leiden. Wenn man einmal damit anfängt, ist man in einem Kreislauf drin, der einen in der Regel runterzieht und sich körperlich negativ auswirkt - und oft nicht den gewünschten Erfolg bringt. Man kann und sollte Diäten das gezielt und kurzzeitig machen, aber nicht dauerhaft.
Wir brauchen eine gewisse Menge an Nahrung und vor allem eine Vielfalt, um den Körper bestmöglich zu unterstützen. Dauerdiäten verursachen Stress, und Stress zieht viele Bausteine ab, die dann nicht mehr für die Hormonproduktion genutzt werden können, z.B. Schilddrüsenhormone oder Progesteron. Wenn wir in einen Nährstoffmangel kommen, kann das auch zu Haarausfall führen oder Osteoporose fördern - denn wenn wir zu wenig Calcium oder andere nötige Mineralstoffe zu uns nehmen, zieht der Körper sich das Calcium aus dem Knochen oder anderen Körperbausteinen.