Clara (42): Wechseljahre früher als gedacht – Ein Gespräch über Selbstfürsorge, Wissen und den Kampf um Anerkennung
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Juni 2025
Erfahrungsbericht Wechseljahre von Clara
Clara, 42 Jahre alt, 2 Kinder, angestellt und selbständig, Hormonersatztherapie
Liebe Clara, wie hast du den Anfang deiner Wechseljahre erlebt?
Ich habe schon früh hormonelle Probleme gehabt – mit 17 einen Eierstock verloren und immer stark auf Schwankungen reagiert und so hatte ich auch schon seit meiner Jugend starke Stimmungsschwankungen. Als ich mein erstes Kind bekommen wollte, war es auch schwierig, da mein Progesteronwert schon damals sehr niedrig war – mit gerade mal Ende 20. Leider wurde lange nichts unternommen.
Nach meinem ersten Kind spürte ich wieder Veränderungen, aber erst mit Ende 30 wurde es richtig schlimm: Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen, extreme Reizbarkeit, Gelenk- und Rückenschmerzen. Ich dachte nur: Was stimmt nicht mit mir?
Ich achte sehr auf meinen Körper, aber trotz Sport und Bewegung hatte ich ständig Beschwerden. Irgendwann dämmerte mir: Das könnte hormonell sein. Ich begann, mich intensiv einzulesen.
Erst als ich einen tollen Frauenarzt traf, der sich mit diesen Themen auskannte, wurde es besser. Leider ist dieser Arzt mittlerweile weg, und ich fühle mich seitdem sehr allein gelassen. Ich überlege nun, einen Experten in einer größeren Stadt zu suchen, aber auch das ist nicht einfach. Viele Praxen nehmen nur Privatpatienten oder setzen neue Patienten als Privatpatienten voraus.
Es gibt einfach zu wenige Expert:innen, die wirklich fundiertes Wissen über Hormone haben. Viele Ärzt:innen tun Symptome wie Östrogendominanz oder Progesteronmangel einfach ab, weil ihnen das Fachwissen fehlt. Das führt dazu, dass Frauen sich verunsichern lassen und denken: „Dann muss ich das wohl einfach so hinnehmen.“
Es ist frustrierend, dass ich oft nicht ernst genommen werde, gerade weil viele Ärzte das Thema Wechseljahre noch immer nur mit Frauen über 50 verbinden. Aber das ist einfach nicht die Realität.
Nimmst Du momentan Hormone?
Ich nehme seit Jahren Progesteron, habe aber jetzt privat einen Hormontest gemacht, weil ich gemerkt habe, dass sich wieder etwas verändert. Viele Frauenärzte schauen nicht genau hin. Ein Bluttest – und das war’s. Keine Verlaufsanalyse, kein tieferes Verständnis. Das wollte ich anders.
Der Test hat mich zwar Geld gekostet, aber jetzt weiß ich genau, wo ich stehe. Mit diesen Ergebnissen gehe ich zur Frauenärztin und fordere gezielt weitere Möglichkeiten ein. Denn meine Beschwerden sind massiv: Hitzewallungen, Haarausfall, extrem trockene Haut, Histaminintoleranz.
Ich achte auf alles – Ernährung, Darmgesundheit, Meditation, kein Alkohol, kein Zucker, kein Kaffee. Aber wenn all das nicht reicht? Dann brauche ich Unterstützung. Jede Frau reagiert anders. Manche kommen mit Sport klar, andere – wie ich – brauchen mehr. Und das ist okay. Wichtig ist, dass wir auf uns selbst vertrauen und in unserer Handlungskraft bleiben.
Viele Frauen denken, hormonelle Veränderungen betreffen sie erst mit Ende 40 oder später – doch das ist ein Irrtum. Je früher wir uns mit unserem Körper und unserer Gesundheit auseinandersetzen, desto leichter fällt es, in Balance zu bleiben. Wer früh lernt, auf sich zu achten, sich selbst an erste Stelle zu setzen und achtsam zu sein, kann Veränderungen viel bewusster steuern.
Oft hinterfragen wir alte Gewohnheiten nicht – bis plötzlich Symptome auftauchen: Gewichtszunahme, Erschöpfung, Stimmungsschwankungen. Doch Wissen ist Macht! Blutzuckerspiegel, Achtsamkeit, Yoga, Krafttraining, Ernährung – all das kann einen riesigen Unterschied machen. Es geht darum, nicht erst zu reagieren, wenn es uns schlecht geht, sondern bewusst vorzubeugen.
Viele Frauen denken, hormonelle Veränderungen betreffen sie erst mit Ende 40 oder später – doch das ist ein Irrtum. Je früher wir uns mit unserem Körper und unserer Gesundheit auseinandersetzen, desto leichter fällt es, in Balance zu bleiben. Wer früh lernt, auf sich zu achten, sich selbst an erste Stelle zu setzen und achtsam zu sein, kann Veränderungen viel bewusster steuern.
Tauschst du dich mit anderen aus?
Ich gehe ganz offen mit meinen Beschwerden um – ob im Yoga-Studio oder bei der Arbeit. Wenn mich jemand auf meine Hitzewallungen anspricht, sage ich es direkt: „Ja, das sind meine Wechseljahre.“ Oder wenn ich am PC sitze und merke, dass mein Kopf wie benebelt ist, nehme ich mir bewusst eine Pause.
Aber viele Frauen machen das nicht. Sie leiden still, nehmen es hin und denken, es sei einfach ihr Schicksal. Doch das muss es nicht sein! Wir sollten aufhören, alles mit uns allein auszumachen, und stattdessen offen über unsere Erfahrungen sprechen – für uns selbst und für andere Frauen.
Ich spreche offen über das Thema, aber in meinem Freundeskreis steht es noch nicht so im Mittelpunkt. Es geht weniger um die Wechseljahre selbst, sondern mehr um Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Viele Frauen um die 40 oder 50 befinden sich in einer Phase der Neuorientierung – die Kinder werden selbstständiger, beruflich gibt es Veränderungen, oft auch neue kreative Wege. Gleichzeitig werden die eigenen Eltern hilfebedürftiger, sodass man wieder in eine Kümmerer-Rolle rutscht.
Gerade dann wäre es wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Doch genau das fällt schwer, weil immer wieder neue Aufgaben und Verpflichtungen dazukommen. Deshalb ist es entscheidend, täglich bewusst Raum für die eigene Kraft und Ruhe zu schaffen. Denn nur wenn es uns selbst gut geht, können wir auch für andere da sein.
Ich würde sagen, dass ich mich durch meine langjährigen hormonellen Probleme schon früh mit Alternativen beschäftigt und vieles ausprobiert habe – oft mit hohen Kosten. Dabei habe ich gelernt, dass es nicht eine Lösung gibt. Was hilft, kann sich verändern, und es ist wichtig, immer wieder in sich hineinzuhorchen. Offenheit für Neues ist entscheidend, statt zu sagen: "Ich habe schon alles probiert, es hilft eh nichts."
Welche positiven Aspekte siehst du in den Wechseljahren?
Ich sehe die Wechseljahre nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance, sich selbst wieder stärker in den Fokus zu rücken. Es geht nicht um Eitelkeit im klassischen Sinne, sondern darum, bewusst für den eigenen Körper zu sorgen, damit er lange gesund bleibt.
Viele Frauen erkennen nicht, dass Beschwerden wie Gelenk- und Rückenschmerzen, Histaminintoleranz, geschwollene Nebenhöhlen oder Unverträglichkeiten oft hormonell bedingt sind. Auch Alkohol vertragen viele plötzlich nicht mehr – doch anstatt den Zusammenhang zu sehen, nehmen sie es einfach hin. Dabei könnten sie durch ein besseres Verständnis für ihren Körper gezielt gegensteuern
Viele Frauen berichten, dass sie nicht ernst genommen werden, weil sie noch “zu jung” sind oder es ihnen äußerlich gut geht.
Ja, das ist genau das, was mich auch oft beschäftigt. Muss man erst völlig am Ende sein, um wahrgenommen zu werden? Muss ich heulen oder muss ich mich mit Burnout krankschreiben lassen, bevor einem geholfen wird? In manchen Phasen denke ich mir auch, dass ich das nicht hinnehmen will. Dann werde ich eben mein eigener Experte. Aber das Hormonthema ist so komplex, dass ich oft an meine Grenzen stoße. Manchmal verstehe ich die Ergebnisse von privaten Tests, manchmal aber auch nicht. Ich probiere einfach aus, was für mich funktioniert, auch wenn es bedeutet, ein bisschen selbst herumzudoktern. Mein Mann fragt dann schon manchmal, ob ich wirklich all diese Sachen nehmen will und ob es nicht zu viel ist.
Ich sage immer, lass mich einfach mal ausprobieren, was für mich funktioniert. Ich teste es an mir selbst aus, um herauszufinden, was mir wirklich hilft. Daher mein Appell an andere Frauen: Lasst euch nicht von Ärzt:innen verunsichern, die euch nicht ernst nehmen. Ich bin sogar einmal aus einer Praxis gegangen, weil die Ärztin mich herablassend behandelte und Progesteron für Unsinn hielt. Gerade auf dem Land fehlt oft Wissen über bioidentische Hormone. Viele Frauen leiden, weil ihnen Angst davor gemacht wird – dabei könnten sie so viel Lebensqualität zurückgewinnen.
Ich sage immer, lass mich einfach mal ausprobieren, was für mich funktioniert. Ich teste es an mir selbst aus, um herauszufinden, was mir wirklich hilft. Daher mein Appell an andere Frauen: Lasst euch nicht von Ärzt:innen verunsichern, die euch nicht ernst nehmen.
Häufig gibt es ja auch mehr als nur einen Ansatz und man muss testen, was einem gut tut.
Absolut, man merkt schon relativ schnell, was einem hilft und was nicht. Ich finde es auch schade, dass viele Frauen erst später darauf kommen, dass viele Beschwerden nicht einfach hingenommen werden müssen. Es wäre wirklich schön, wenn mehr Frauen schon früher darauf aufmerksam gemacht würden.
Was mich auch lange beschäftigt hat, war meine Beziehung zu Alkohol. Als junge Frau habe ich Alkohol oft genutzt, um zur Ruhe zu kommen, aber es hat nie wirklich funktioniert. Im Gegenteil, es hat die Beschwerden sogar verstärkt. Als ich das endlich begriffen habe, habe ich den Alkohol vor Jahren komplett aus meinem Leben gestrichen. Aber ich glaube, viele Frauen verstehen diese Verbindung nicht, dass all diese Dinge miteinander zusammenhängen könnten.
Ich hätte gerne unkomplizierten Expertenrat (...) ich bräuchte einen Experten, der mir konkret sagt, auf welche Hormonwerte ich achten sollte, welche Aspekte wichtig sind, und dann mit mir die Werte bespricht, um mir gezielt zu helfen
Was würde dir helfen und was wünscht du dir?
Ich hätte gerne unkomplizierten Expertenrat. Die Frauen, die auf meinem Stand sind, wissen schon viel und kennen ihre Bedürfnisse. Aber ich bräuchte einen Experten, der mir konkret sagt, auf welche Hormonwerte ich achten sollte, welche Aspekte wichtig sind, und dann mit mir die Werte bespricht, um mir gezielt zu helfen. Ich brauche niemanden, der sich stundenlang mit mir beschäftigt oder mich psychisch betreut. Ich will einfach klare, praktische Tipps und Tools, um sicher durch diese Zeit zu navigieren, ohne dabei mein Glück, mein Selbstgefühl oder meine Weiblichkeit zu verlieren..
Es geht darum, ernst genommen zu werden – besonders von Experten. Es muss anerkannt werden, dass hormonelle Schwierigkeiten nicht nur Frauen in einem bestimmten Alter betreffen, sondern schon viel früher beginnen können. Das sollte mehr in die Öffentlichkeit getragen werden. Außerdem wäre es wichtig, dass in Berufsfeldern mehr Rücksicht genommen wird, vor allem bei berufstätigen Frauen. Sie sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeiten an ihren Biorhythmus anzupassen. Wenn man in den Wechseljahren ist und Schlafprobleme hat, ist es vielleicht nicht ideal, jeden Morgen um 6:00 Uhr zu arbeiten. Flexibilität wie Homeoffice oder angepasste Arbeitszeiten könnten hier eine große Hilfe sein.
Vielen Dank für das offene Gespräch Clara!
Zusammenfassung:
Clara berichtet offen über ihre frühen hormonellen Probleme, die sich schon in ihrer Jugend bemerkbar machten und mit den Wechseljahren verstärkten. Sie litt unter starken Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Gelenkschmerzen und Hitzewallungen, fand aber erst spät kompetente ärztliche Unterstützung. Da viele Ärzt:innen hormonelle Veränderungen nicht ernst nehmen oder Frauen als „zu jung“ für Wechseljahresbeschwerden einstufen, musste sie sich selbst intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.
Sie betont, wie wichtig es ist, den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und aktiv für die Gesundheit zu sorgen. Progesteron hilft ihr, aber sie fordert mehr Expertenwissen und gezielte Beratung. Den Austausch mit anderen Frauen sieht sie als essenziell, um Aufklärung und Unterstützung zu fördern. Clara betrachtet die Wechseljahre nicht nur als Herausforderung, sondern als Chance, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und gesund zu bleiben. Sie wünscht sich mehr gesellschaftliche Akzeptanz, bessere medizinische Versorgung und flexiblere Arbeitsbedingungen für Frauen in dieser Lebensphase.