Depressive Verstimmungen und Stimmungsschwankungen
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Juni 2025 in Symptome
Während körperliche Symptome der Wechseljahre wie Hitzewallungen und Schlafstörungen weitgehend bekannt sind, wird der Einfluss auf die psychische Gesundheit häufig unterschätzt. Zahlreiche Studien belegen, dass bis zu 20 % der Frauen während der Menopause unter depressiven Symptomen leiden. Ein korrektes Erkennen und Einordnen dieser Symptome eröffnet vielfältige Handlungsspielräume zur Verbesserung des seelischen Wohlbefindens.
Hormonelle Veränderungen und ihre psychischen Auswirkungen
In der Perimenopause führen schwankende und letztlich sinkende Spiegel der Sexualhormone Progesteron und Östrogen zu einer instabilen Regulation von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin. Zunächst fällt der Progesteronspiegel ab, was die Stressresistenz mindern und zu innerer Unruhe führen kann. Anschließend beginnt der Östrogenspiegel, in unregelmäßigen Wellen zu sinken, bis das niedrige Niveau der Postmenopause erreicht ist. Östrogen steuert unter anderem die Ausschüttung von Serotonin, dem „Glückshormon“. Die hormonelle Achterbahnfahrt bewirkt daher ein Ungleichgewicht in neurochemischen Steuerungsmechanismen und ist direkt mit Stimmungsschwankungen und depressiver Symptomatik verknüpft.
Parallel dazu nimmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin ab, da die Zirbeldrüse im mittleren Erwachsenenalter nachlässt und Östrogenmangel die Melatoninsynthese weiter reduziert. Die verringerte Melatoninproduktion kann zu Problemen beim Ein- und Durchschlafen führen, was selbst limitierte depressive Verstimmungen verschärft.
Laut Statistiken leiden 7 von 10 Frauen während dieser Phase unter depressiven Verstimmungen.
Häufigkeit und Risikofaktoren
Verschiedene epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass etwa 50 bis 70 % der Frauen in den Wechseljahren über Stimmungsschwankungen berichten, wobei 7 von 10 Frauen mindestens zeitweise depressive Verstimmungen erleben. Frauen, die bereits in früheren hormonellen Lebensphasen (z. B. während des Zyklus oder nach einer Geburt) empfindlich auf Schwankungen reagiert haben, weisen ein erhöhtes Risiko auf. Darüber hinaus wirken psychosoziale Belastungen (Pflege von Angehörigen, Stress im Beruf, „Empty-Nest-Syndrom“) als zusätzliche Prädiktoren für depressive Symptomatik.
Ein erschwerender Faktor besteht darin, dass viele Betroffene trotz regelmäßiger Menstruation bereits mentale Symptome spüren, ohne diese der Menopause zuzuordnen. In der Folge werden falsche Schlussfolgerungen gezogen, und notwendige Maßnahmen bleiben aus.
Typische Anzeichen und Beschwerden
Depressive Verstimmungen in den Wechseljahren können sich auf vielfältige Weise äußern. Zu den häufigsten psychischen Symptomen zählen:
Fluktuierende Stimmungslagen zwischen Euphorie und tiefer Traurigkeit
Antriebslosigkeit und Interessenverlust, oftmals verbunden mit erhöhter Reizbarkeit
Konzentrationsschwierigkeiten und ausgeprägtes Gedankenkreisen
Schlafstörungen sowie chronische Müdigkeit und Erschöpfung
Ängste, innere Unruhe und psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen
Vermindertes Selbstwertgefühl und soziale Rückzugsneigung
Wenn diese Symptome über mehrere Wochen persistieren, kann dies auf eine depressive Episode hinweisen, die möglicherweise behandlungsbedürftig ist. Eine „schleichende“ oder „plötzliche“ Entstehung von tiefer Traurigkeit und weinerlichen Episoden sollte nicht als vorübergehende Laune abgetan werden, sondern erfordert eine differenzierte Abklärung.
Zusammenwirken körperlicher Begleiterscheinungen
Die indirekten Effekte weiterer menopausaler Beschwerden verstärken depressive Zustände. Gewichtszunahme, sexuelle Funktionsveränderungen und reduzierte Belastbarkeit bei Beruf und Partnerschaft können Stimmungstiefs vertiefen. Hitzewallungen, nächtliche Schweißausbrüche oder Schlafunterbrechungen führen zu erhöhtem Cortisol, was den Stoffwechsel belastet und das Risiko für psychische Probleme zusätzlich erhöht. Studien belegen, dass Schlafmangel allein bereits mit einem erhöhten Risiko für depressive Verstimmungen einhergeht.
Erkennen und Behandeln
Ein ganzheitlicher Ansatz ist essenziell, um depressive Verstimmungen korrekt zu diagnostizieren und zu behandeln. Zunächst sollte differenziert werden, ob es sich um rein hormonell bedingte Stimmungsschwankungen oder um eine eigenständige depressive Erkrankung handelt. Folgende diagnostische Schritte sind dabei hilfreich:
Anamneseerhebung: Erfassung von Menopause-Phase, Zyklusverlauf, früheren hormonellen Episoden (z.B. PMS, postpartale Stimmungsschwankungen) und psychosozialen Belastungen.
Screening-Instrumente: Einsatz standardisierter Fragebögen (z. B. PHQ-9), um Depressionsschwere zu quantifizieren.
Labordiagnostik: Bestimmung von Hormonspiegeln (Östrogen, Progesteron), gegebenenfalls auch Vitamin-D- oder Schilddrüsenwerte, um andere Ursachen auszuschließen.
Behandlungsmöglichkeiten
Lebensstiländerungen
Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung verbessert die Neurotransmitterbalance und reduziert Stresshormone.
Schlafhygiene: Kühle, ruhige Schlafzimmerumgebung, feste Schlafenszeiten und Vermeidung von Koffein und Alkohol vor dem Zubettgehen stabilisieren den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Ernährung: Eine ausgewogene Kost mit ausreichender Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen und Magnesium unterstützt die Neurotransmittersynthese.
Entspannungsverfahren und Psychotherapie
Verhaltenstherapeutische Ansätze: Insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zielt darauf ab, dysfunktionale Denkmuster zu identifizieren und zu modifizieren.
Achtsamkeitsbasierte Verfahren: Meditation, Achtsamkeitsübungen und progressive Muskelentspannung senken akuten Stress und fördern emotionale Stabilität.
Phytotherapeutische Mittel
Johanniskraut (Hypericum perforatum): Wirksamkeit bei leichten bis moderaten depressiven Verstimmungen belegt. Bei gleichzeitiger Medikation ist jedoch auf Wechselwirkungen zu achten.
Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa): Kann Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen lindern; eine direkte antidepressive Wirkung ist umstritten.
Hormonersatztherapie (HRT)
Eine individuelle, ärztlich überwachte Substitution mit Östrogenen (ggf. kombiniert mit Gestagen) kann depressive Verstimmungen und Schlafstörungen reduzieren. Die HRT sollte nach Nutzen-Risiko-Abwägung verschrieben werden, insbesondere bei höherem thrombembolischem Risiko.
Antidepressiva
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) können bei moderaten bis schweren depressiven Episoden indiziert sein, insbesondere wenn HRT alleine nicht ausreichend wirkt oder Kontraindikationen bestehen.
Offener Diskus und Entstigmatisierung
Depressive Verstimmungen in den Wechseljahren sind nicht nur eine vorübergehende „Nebenwirkung“ – sie können erhebliche Auswirkungen auf Lebensqualität, berufliche Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe haben. Häufig bestehen Vorurteile, dass sich Frauen lediglich „durchbeißen“ müssten, oder es wird eine rein psychosoziale Ursache unterstellt. Eine breit angelegte Aufklärung und Sensibilisierung sind notwendig, damit Betroffene rechtzeitig Hilfe in Anspruch nehmen.
Zusammenfassung:
Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen während der Wechseljahre resultieren aus komplexen Wechselwirkungen hormoneller, neurochemischer und psychosozialer Faktoren. Eine frühzeitige Erfassung dieser Symptome ermöglicht eine gezielte, multimodale Intervention—bestehend aus Lebensstiloptimierung, entspannungsbasierten Verfahren, Phytotherapie, gegebenenfalls Hormontherapie und psychotherapeutischer Begleitung—und kann das psychische Wohlbefinden deutlich verbessern. Die Entstigmatisierung dieses oft tabuisierten Themas ist essenziell, um Frauen den Zugang zu adäquater Unterstützung und Behandlung zu erleichtern.
Quellen:
- WebMD Editorial Contributors (07.04.2017): The Emotional Roller Coaster of Menopause. WebMD, URL.
- Haver, Mary Claire (2024): The New Menopause: Navigating Your Path Through Hormonal Change With Purpose, Power and Facts. New York: Rodale.
- De Liz, Sheila (2024): Women on Fire: Alles über die fabelhaften Wechseljahre. 24. Auflage, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
- Pelz, Mindy (2023): The Menopause Reset. United Kingdom: Hayhouse UK.
- Haver, Mary Claire (2024): The New Menopause: Navigating Your Path Through Hormonal Change With Purpose, Power and Facts. New York: Rodale.
- Statista (2013): Prävalenz von Burn-out in Deutschland nach Geschlecht, Alter und sozialem Status im Jahr 2012. Statista, URL.
- Bartlett, Steven: Moment 145: The Alarming Link between Your Gut & Depression: Tim Spector, (19.01.2024), The Diary of a CEO, URL.