Interview

Personal Trainerin Sabine Gralla über die wichtigsten Sportarten und Trainingsreize in den Wechseljahren

Veröffentlicht von Saskia Scheibel im Juni 2025 in Sport & Bewegung

Artikelbild Personal Trainerin Sabine Gralla über die wichtigsten Sportarten und Trainingsreize in den Wechseljahren

Foto Sabine Gralla - Personal Trainerin und Beckenboden Spezialistin

Sabine Gralla ist unter anderem ausgebildete Personal Trainerin und Prä- und Postnatal Trainerin, die sich darauf spezialisiert hat, Frauen in jeder Lebensphase, so auch den Wechseljahren, zu unterstützen. In diesem Interview sprechen wir mit ihr darüber, wie man seinen Körper in den Wechseljahren optimal unterstützen kann – und warum das, was viele bisher über Sport und Gesundheit dachten, vielleicht nicht mehr ganz stimmt...

Was genau machst du beruflich und wie bist du dazu gekommen?

Ich bin ausgebildete Personal Trainerin und Ernährungsberaterin und mein Fokus lag bisher vor allem auf prä- und postnatalem Training, also u.a. Beckenbodentraining. Allerdings bin ich jetzt selbst 44 Jahre alt möchte mich weiterentwickeln. Mein neuer Fokus sind Frauen über 35, weil da bereits die Perimenophause anfängt und entsprechend Bedarf besteht. Um ideal darauf vorbereitet zu sein, habe ich bereits einige Fortbildungen absolviert und lese alles, was ich dazu finde. So bin ich für diese Zielgruppe bestens gewappnet.

Der Körper soll nicht dafür bestraft werden, dass er ggf. nicht dem gesellschaftlichen Schönheitsideal entspricht. Wenn man mit dem Körper arbeitet, hat man meistens mehr Erfolg und auch mehr Spaß.

Hast du das Gefühl, diese gesundheitliche Motivation wird gut angenommen? 

Das Thema Longevity ist ja gerade in aller Munde. Das hilft. Aber was am meisten hilft, ist, wenn Sie selbst merken, dass sie es plötzlich schaffen, den Wasserkasten hoch in den dritten Stock zu schleppen - oder ähnliche Alltagsdinge, die Sie viel besser meistern können. Das motiviert, am Ball zu bleiben. 

Mittlerweile wissen viele Frauen, dass sie mit steigendem Alter an Muskelmasse verlieren und alles was ich mir in der Perimenopause aufbaue bzw. an Mobilität erhalte, kommt mir langfristig zu Gute. Provokativ frage ich manchmal: Du sparst doch auch jetzt schon für deine Rente, oder? Die ist auch noch weit weg… Es gibt viele immobile Menschen unter 55, die sich nicht mehr die Schuhe zubinden können, ohne dass sie sich hinsetzen müssen. Unser Körper funktioniert nach dem Prinzip: “use it or lose it”. Meinen Kundinnen versuche ich klar zu machen, dass mein Training ein Invest in ihre gesunde Zukunft ist.

Machen denn Frauen in den Wechseljahren tendenziell den richtigen Sport? 

Leider machen, aus meiner Erfahrung heraus, viele nicht unbedingt den richtigen Sport. Sie joggen stundenlang durch den Park oder quälen sich auf Ergometer oder Laufband, oft die ganze Zeit im selben Tempo. Immer in der Hoffnung, dadurch abzunehmen - je länger die Strecke, desto mehr nehme ich ab. Ich will niemandem das Laufen schlecht reden, aber man könnte mit kleinen Tricks viel effizienter trainieren, indem man z.B. beim Laufen kleine Sprints mit einbaut, also 20 Sekunden richtig, richtig Gas geben, dann wieder eine Minute langsam joggen bis der Puls sich wieder normalisiert hat und genug Power für den nächsten Sprint da ist. Wenn man das 4-5 Mal macht, ist man wirklich erledigt und es war wirklich effektiv.

Das ist auch wesentlich effizienter weil man nur eine halbe Stunde unterwegs war, statt einer Stunde oder mehr. Welche Frau hat denn in dieser Lebensphase viel Zeit? Zudem braucht der Körper einen externen Stressor über den Sport, damit er sich verändert.

Neben Intervalläufen wünsche ich mir natürlich, dass Frauen sich trauen, mal Gewichte in die Hand zu nehmen. Damit meine ich nicht die niedlichen, kleinen pinkfarbenen 2-Kilo-Hanteln, sondern schwere Gewichte, mit denen sie maximal 8 saubere Wiederholungen schaffen. Unsere Muskelmasse reduziert sich bis zum 80. Lebensjahr um bis zu 40%, Allerdings brauchen wir die Muskeln, um unseren Körper zu stützen und zu halten. Deshalb und auch im Sinne der Osteoporose-Prophylaxe ist Krafttraining wichtig.

Gibt es Situationen, in denen man etwas vorsichtig sein sollte mit Krafttraining bzw. etwas Bestimmtes beachten sollte, wenn man noch nie Krafttraining gemacht hat? 

Klar! ich mache mit meinen Kundinnen immer vorab eine Anamnese. Wenn bereits Vorerkrankungen am Bewegungsapparat bestehen, z.B. am Knie oder ein Bandscheibenvorfall, ist es immer sinnvoll, einen Start unter Anleitung zu machen. Eine korrekte Übungsausführung ist unerlässlich. Das gilt natürlich besonders für Menschen, die noch nie ein Gewicht in der Hand gehalten haben. Da besteht einfach ein größeres Verletzungsrisiko. Nicht jede Frau kann sich Personal Training leisten. Alternativ gibt es Fitnessstudios, wo ein geführtes Training an Geräten eine gute Möglichkeit zum Start sind. Sobald man Kraft aufgebaut hat, kann man dazu übergehen, Training mit freien Gewichten zu machen. Dieses ist auf Dauer zu bevorzugen, weil es viel mehr Körperpartien fordert und auch eher den Alltagsbewegungen entspricht. 

Die größten Fehler, meiner Meinung nach, sind keine saubere Ausführungen der Übungen, entweder weil man es nicht besser weiß oder die Übungen nur halbherzig macht. Es gibt auch Fälle, in denen mit zu viel Gewicht gestartet wird. So kann man Verletzungen provozieren. Was zusätzlich ganz wichtig ist, ist, dass man die Ernährung nicht außer Acht lässt. Ich kann keine Muskulatur aufbauen, wenn ich nicht ausreichend esse und dabei noch zu wenig Protein zu mir nehme. Da herrscht noch viel Unwissen. Es braucht nicht diese ganzen hochverarbeiteten High Protein Produkte aus dem Supermarkt. Wir haben genügend natürliche Lebensmittel zur Verfügung, sowohl omnivor, vegetarisch als auch vegan. Aus meiner Sicht spricht allerdings auch nichts dagegen, wenn man einen qualitative hochwertigen Proteinshake trinkt, wenn man sein Proteinziel sonst nicht erreichen kann.

Krafttraining und Ernährung müssen Hand in Hand gehen. Und Frauen brauchen wirklich keine Angst zu haben: wir werden nicht aussehen wie Bodybuilder. Dann wäre jeder Bodybuilder neidisch, weil er unheimlich viel Arbeit in sein Aussehen reinstecken muss. Das ist sehr, sehr schwer zu erreichen im mittleren oder gehobenen Alter. 

Viele Frauen mögen die Freihantelbereiche, oder auch “Pumper-Ecken” in Fitnessstudios nicht und meiden sie deswegen…

Tatsächlich brauchen Frauen einen sicheren Bereich, in dem sie sich wohlfühlen. Es ist auch heutzutage immer noch so: wenn du als Frau ins Fitnessstudio gehst, bekommst du gleich den Kursplan in die Hand gedrückt. An den Geräten wirst du meist vorbeigeführt, was schade ist. Ich finde es andererseits aber auch verständlich, dass man keine Lust hat, in einer muffigen “Pumper-Atmosphäre” zu trainieren. Ich würde den Fitnessstudio-Betreibern tatsächlich empfehlen, vielleicht einfach mal eine Frauen-Ecke aufzumachen. Die soll nicht mit rosa Plüsch ausgestattet sein, aber einfach eine sichere Umgebung, in der sich Frauen wohlfühlen. Es gibt auch reine Frauenfitness Studios, aber eben nicht unbedingt in jederfraus Nähe. 

Wie kann man denn zu Hause, ohne dass man jetzt eine Langhantel oder sowas hat, die Knochen stärken? 

Es gibt natürlich auch online Kurse und Videos, die dich beim Erlernen des Krafttrainings begleiten, nur individuelles Korrigieren ist hier schwierig. Ich empfehle für zu Hause gern Resistenzbänder. Die gibt es in unterschiedlichen Stärken, sodass du immer einen ausreichend starken Widerstand haben kannst. Damit kann man unheimlich viel machen. Man braucht definitiv kein Fitnessstudio zu Hause. Auch ein Rucksack mit Wasserflaschen gefüllt kann sehr effektiv sein, wenn du beispielsweise mit 5-6 Flaschen in einem Rucksack Kniebeugen machst. Oder du nimmst dir zwei Jute-Beutel und legst rechts und links Wasserflaschen rein. Da kann man kreativ sein und das nehmen, was man zu Hause hat. Sofern keine Knieprobleme oder ähnliches vorliegen, lasse ich meine Kundinnen auch gerne mit beiden Beinen von der letzten Treppenstufe oder einem kleinen Hocker springen. Allerdings ohne, dass sie den Sprung in den Knien abfedern. So können wir mehr Druck auf die Knochen ausüben. Als ein gutes Investment sehe ich für den Anfang die Resistenzbände und eine Matte – dazu das eigene Körpergewicht und los geht’s!

Neben dem Thema Osteoporose, gibt es ja noch andere Herausforderungen in den Wechseljahren, z.B. Blasenschwäche bzw. Beckenbodenschwäche…

Ja, das ist wirklich ein großes Thema, aber da es nach wie vor leider noch ein Tabuthema ist, kommen die Frauen nicht direkt mit diesem Anliegen zu mir. Das erfahre ich dann tatsächlich meistens im Anamnesegespräch, wenn ich mehrfach nachhake. Beim ersten Mal, wenn ich nach Beckenbodenproblematiken frage, heißt es oft “Habe ich nicht.”. Wenn ich dann nachhake, ob es Urinverlust gibt beim Hüpfen oder Niesen, wird mir gesagt, “Ich springe einfach nicht mehr.” Das ist die Vogelstrauß-Taktik, aber die hilft uns leider langfristig nicht weiter. Irgendwann fangen die Frauen an zu reden und erzählen z.B. dass sie nachts häufig raus müssen. Es kommt selten vor, dass es da nichts gibt, was man verbessern könnte. Blasenschwäche und Beckenbodenprobleme sollten nicht so hingenommen werden, auch wenn Ärzt:innen es manchmal als ganz normal abtun, wenn man Kinder bekommen hat oder ein gewisses Alter erreicht hat. Auch das ist ein Thema, das man selbst in die Hand nehmen sollte.

Es hilft Frauen im ersten Schritt erstmal zu verstehen, wo genau der Beckenboden ist, damit sie lernen, ihn zu spüren. Denn dann kann man auch lernen den Beckenboden aktiv anzusteuern. Mir persönlich wäre es am allerliebsten, wenn bereits Mädchen darüber aufgeklärt werden, in der Schule zum Beispiel. Definitiv sollte man sich in der Schwangerschaft um den Beckenboden kümmern bzw. spätestens im Wochenbett. Und was viele nicht auf dem Schirm haben: Ich muss auch nach dem Rückbildungskurs weitermachen, Beckenbodentraining ist eine lebenslange Geschichte. Das gilt übrigens auch für Frauen, die keine Kinder haben. Es ist ein Muskel, der trainiert werden muss. Denn ein Muskel, der nicht trainiert wird, baut sich ab. 

Abschließend, was sind deine Top 3 Übungen für den Beckenboden, die du Frauen in den Wechseljahren empfehlen würdest?

Meine erste Übung wäre einfach alle drei Körperöffnungen von hinten nach vorne zu verschließen und sie sanft nach innen in Richtung Bauchnabel zu ziehen. Das Ganze erfolgt bei der Ausatmung. Bei der Einatmung lässt man alles wieder los Dieses Wechselspiel von Aktivierung und Entspannung wird dann mehrmals wiederholt. 

Als zweites kann man versuchen, im Takt eines Liedes den Beckenboden anzuspannen und aber auch gleich wieder zu entspannen. Das Lied sollte allerdings keine 150 BPM haben. Wichtig ist, dass ich eine zackige Anspannung habe und dann aber auch wieder komplett loslasse. Hierbei trainieren wir die schnellzuckenden Muskelfasern, welche reflektorisch anspannen, beim Husten oder Niesen. 

Und als drittes empfehle ich alle Übungen, die das Gleichgewicht herausfordern, z.B. Einbeinstand, Standwaage oder Ähnliches. Die Übungen integriert man idealerweise in eine generelle Sportsession oder in Alltagssituationen, die gut für einen selbst passen.

Das war sehr hilfreich, Vielen Dank, Sabine!

Zusammenfassung:

In diesem Interview spricht die Personal Trainerin Sabine Gralla über die Bedeutung von Sport und Training in den Wechseljahren. Sie betont, dass viele Frauen in dieser Phase feststellen, dass frühere Trainingsroutinen nicht mehr die gleichen Ergebnisse liefern. Gralla erklärt, dass dies oft an den hormonellen Veränderungen liegt, die den Körper beeinflussen. Sie rät zu einem Mix aus Intervalltraining und Krafttraining mit schweren Gewichten, um Muskelmasse aufzubauen und Osteoporose vorzubeugen. Einfaches Joggen sei oft nicht effektiv genug. Zudem spricht sie über die Wichtigkeit von Beckenbodentraining, das oft vernachlässigt wird.