Astrid Müller (56): Hormonbalance statt Chaos: Mein Weg zu Gesundheit und neuer Lebensenergie
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im März 2025
Hallo Astrid, stell dich doch gerne einmal vor.
Ich bin Astrid Müller, Gesundheitswissenschaftlerin und Midlifeautorin und inzwischen in der Postmenopause. Mein ganzes Leben habe ich unter einer schweren Hormonstoffwechselstörung gelitten und war schon als Kind kränklich. Mit Anfang Zwanzig hat sich mein Zustand drastisch verschlechtert. Ich hatte zahlreiche Beschwerden, aus denen Krankheiten wurden, für die es keine medizinische Erklärung gab. Eine lange Suche begann und ich konsultierte verschiedene Fachärzt:innen. Daneben wandte ich diverse Naturheilverfahren an, was mir zumindest ein wenig half. Doch einen wirklichen Durchbruch mit richtigen Diagnosen hat es lange nicht gegeben.
So kam ich intensiv mit Nährstofftherapie, Stressmanagement, Meditation und Hatha-Yoga in Kontakt. Ich habe viele fernöstliche Methoden und Diätetik ausprobiert, was viel Kraft und Disziplin erforderte. Doch trotz all dieser Bemühungen bin ich immer wieder in gesundheitliche Krisen geraten, die wiederholte Phasen der Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten. Zum Beispiel litt ich zweieinhalb Jahre lang an einer schweren Darmerkrankung mit Durchfall. In dieser Zeit konnte ich kaum arbeiten und war völlig geschwächt. Dass meine Darmerkrankung mit einer unerkannten Schilddrüsenstörung einher ging, erfuhr ich erst viele Jahre später. Als ich daran erkrankte, kannte man viele der heute bekannten Krankheitsbilder noch nicht: Das Reizdarmsyndrom, die Hashimoto Thyreoiditis oder die subklinische Schilddrüsenunterfunktion – all das waren Unbekannte.
Hinzu kommt, dass Frauen oft wenig ernst genommen werden, wenn es um ihre Gesundheit geht. Mir ist das auch passiert. Mit Anfang Zwanzig, sah ich äußerlich vital aus und wurde als kerngesund betrachtet, losgelöst davon, wie schlecht ich mich fühlte.
Die Fassung habe ich nie verloren, bin in Arztterminen nie in Tränen ausgebrochen. Vermutlich hat auch das zu dem falschen Bild beigetragen, dass es mir gut geht. In der Folge bedeutete das aber, dass meine Beschwerden ignoriert oder bagatellisiert wurden.
Nach einer längeren Auszeit wegen akuter Krankheit nahm ich irgendwann eine Vollzeitstelle an. Der Job war extrem stressig und ich pendelte täglich. Meine gesunde Ernährung und meine Selbstfürsorge konnte ich kaum mehr aufrechterhalten. Damals nannte sich meine Ernährung „basisch“, heute ist sie als „antientzündliche Ernährung“ bekannt, die auf viel frischem Gemüse basiert, bei wenig bis keinen Milchprodukten und Getreiden als auch Zucker- und Fertigproduktverzicht. In der Überlastung im Job vernachlässigte ich meinen gesunden Lebensstil und geriet ohne es zu wissen, zuerst in den Schilddrüsen-Super-Gau und dann vorzeitig in die Wechseljahre. So fand ich mich mit nur achtundreißig Jahren mit starken Gelenkschmerzen in einer Reha-Klinik wieder.
Mit Anfang 40 habe ich mich schließlich frisch verliebt und hätte eigentlich vital sein müssen. Doch stattdessen ging es mir immer schlechter. Ich habe plötzlich stark an Gewicht zugelegt, entwickelte extreme Neurodermitis und Stimmungsschwankungen. Ich spürte einen tiefen Blues, den ich sonst nur von PMS kannte. Meine aktuelle Lebenssituation war komplett postiv: In einer glücklichen Beziehung bereitete ich gerade meine Selbstständigkeit als Autorin vor und schrieb an meinem ersten Buch. Und doch fühlte ich mich körperlich elend. Mir kam ein Verdacht, doch bei vier Gynäkologinnen wies man mich ab. Erst nachdem mir eine Freundin ein Buch über natürliche Hormontherapie gab, welches ich unter Tränen an einem einzigen Nachmittag durchlas, erkannte ich mich buchstäblich auf jeder Seite wieder. Ich begriff, dass ich bereits seit Jahrzehnten unter massivem Hormonmangel litt und dass dieser immer übersehen worden war. Und ich war in den Wechseljahren.
Wie bist du mit dieser Erkenntnis, dieser neuen Diagnose umgegangen?
Ich begann eine sanfte, bis dato fast unbekannte Therapie mit bioidentischen Hormonen. Alles, womit ich lange gekämpft hatte, war plötzlich verschwunden. Mein Reizdarm, mit dem ich zwanzig Jahre leben musste, meine angeborene Neurodermitis, die sich mit den frühen Wechseljahren verschlimmerte, lösten sich, neben allem anderen, innerhalb weniger Tage auf. Auch der Blues und mein PMS verschwanden.
Es dauert ein paar Monate, bis ich die richtige Dosierung gefunden hatte und diese justierte ich bei jedem neuen Hormonverlust, wie in den Wechseljahren typisch, nach. Anfangs cremte ich nur Progesteron, nahm dazu Vitamin D und einige weitere Nahrungsergänzungsmittel. Östrogen kam erst später hinzu. Der Therapieerfolg war so unglaublich, dass ich zu Sexualhormonen und Frauengesundheit zu recherchieren begann. In Deutschland existiert bis heute nur lückenhaftes Wissen über Hormongesundheit.
Die Ärzt:innen sagen gerne „Naja, wissen Sie, Sie kommen jetzt in ein gewisses Alter …“. Früher hieß es, ich sei viel zu jung für solche Beschwerden.
Und dann, in der Postmenopause, sagen die Ärzt:innen: „Das ist in Ihrem Alter ganz normal.“ Aber das ist falsch und mir zu einfach gedacht. Wenn wir Frauen unsere Hormongesundheit fördern, müssen wir uns nicht unseren Beschwerden, die zu Krankheiten werden, abfinden. Es gibt Möglichkeiten, gesund und vital zu altern – wir müssen nur wissen, wie.
Du hast deine und die Erfahrungen anderer in einem Buch geteilt - welche Botschaft möchtest du Frauen geben?
Während meiner Zwanzig Jahre langen Suche traf ich viele kranke Menschen, vor allem Frauen. Als ich mit der bioidentischen Hormontherapie eine nahezu wundersame Verbesserung erlebte, gab ich meine Erfahrungen weiter – und so konnten viele ihr Hormonchaos entschlüsseln. So entstand die Idee zu meinem zweiten Buch Hormonchaos – viele Symptome, eine Ursache.
Einige Frauen haben mir ihre Geschichten zur Verfügung gestellt, und ich wollte ein Buch schreiben, das Menschen hilft, ihre hormonelle Balance zu verstehen – auch wenn sie sich weniger krank als einfach nur erschöpft fühlen, Entzündungen oder Stimmungsschwankungen haben. Insbesondere die Wechseljahre wollte ich thematisieren, da diese für viele Frauen eine kritische Lebensphase sind.
Ich habe selbst erlebt, dass Hormongesundheit ein lebenslang ein zentrales Thema für Frauengesundheit ist. Spätestens in den Wechseljahren sollten wir aktiv werden – auch wenn die Medizin das oft noch unterschätzt.
Für das Buch suchte ich den Austausch mit Ärzt:innen, die sich auf bioidentische Hormontherapie spezialisiert haben.
Du hast anfangs ausschließlich Progesteron genommen, vielen Frauen wird es häufig in Kombination mit Östrogen verordnet.
Den meisten Frauen wird in den Wechseljahren Östrogen und Progesteron verschrieben – oft ohne die konkrete Wirkweise der beiden Hormone zu verstehen. Progesteron wird häufig einzig und allein als Schutz der Gebärmutterschleimhaut angesehen, dabei hat Progesteron ganz vielfältige Aufgaben im Körper. Als ich in die Postmenopause kam, sagte meine Ärztin sogar, ich bräuchte kein Progesteron mehr. Totaler Unsinn! Wir brauchen alle drei Hormone: Progesteron, Östrogen und Testosteron.
Ob man sie substituieren möchte, ist die individuelle Entscheidung jeder einzelnen Frau. Ich spreche mich klar für die bioidentische Hormonerstatztherapie aus, denn nach der Menopause fehlt uns der Schutz der Sexualhormone ganz. Als ich mit einundvierzig Jahren mit der Hormontherapie begann, fühlte ich mich so vital wie nie zuvor. Progesteron hat meine Schilddrüse stabilisiert, meine Entzündungen und Neurodermitis verschwanden genauso, wie mein Reizdarmsyndrom. Mein Schlaf war tief, undurchbrochen und sehr erholsam. Progesteron schiebt viele Heilungsprozesse im Körper an.
Mit der Zeit justierte ich nach und später kam Östrogen hinzu. Ich habe mit einer winzigen Dosis angefangen, die für mich perfekt war. Doch als mein Östrogen in der Postmenopause abstürzte, reichte das nicht mehr. Meine Gynäkologin sagte im Nachhinein, was ich nahm, sei „homöopathisch“ gewesen ohne therapeutischen Effekt. Doch mir war es gut gegangen.
Das zeigt, wie wenig die Schulmedizin oft über bioidentische Hormone weiß. Es gibt keine Standardlösung und keine Standarddosierung – jede Frau ist anders.
Testosteron, das gibt es bisher nur im Off Label Use. Wie bist du dazu gekommen?
Testosteron wurde mir in der Perimenopause zunächst von einer Privatärztin verschrieben und ich cremte es einige Wochen, weil bei mir bestimmte Beschwerden wie Gelenk- und Muskelschmerzen und Antriebslosigkeit trotz der erhöhten Östradioldosis blieben. Während Bewegung – Sport, Yoga oder lange Spaziergänge mit meinen Hunden meine körpereigene Testosteronproduktion in den Wechseljahren noch stimulieren konnte, funktionierte das in der Postmenopause nicht mehr.
Inzwischen nehme ich Testosteron durchgehend in Gelform mit minimaler Dosierung, welches eigentlich für Männer gedacht ist. Wenn ich es ein paar Tage weglasse, merke ich das sofort. Zum Beispiel fällt es mir dann schwer, meine alte Hündin die Treppen herunterzutragen. Der Unterschied ist trotz Yoga und Krafttraining deutlich spürbar.
Zusammenfassung:
Astrid Müller, Gesundheitswissenschaftlerin und Autorin, berichtet über ihre lange Leidensgeschichte mit einer unerkannten Hormonstoffwechselstörung. Trotz gesunder Lebensweise und alternativer Heilmethoden blieben ihre Beschwerden unbehandelt. Mit 38 Jahren erlitt sie vorzeitige Wechseljahre, die von Ärzt:innen nicht erkannt wurden.
Der Wendepunkt kam, als sie auf bioidentische Hormone stieß. Trotz anfänglicher Ablehnung durch Gynäkologinnen begann sie eine Therapie, die viele ihrer chronischen Beschwerden linderte. Ihr Buch "Hormonchaos – Viele Symptome, eine Ursache" soll Frauen helfen, hormonelle Dysbalancen zu erkennen und passende Behandlungen zu finden.
Müller kritisiert die mangelnde Aufklärung über bioidentische Hormone und fordert eine bessere medizinische Versorgung für Frauen in der Postmenopause. Mit der Initiative "Wir sind 9 Millionen" setzt sie sich für politische Veränderungen ein und möchte Frauen ermutigen, ihre Hormongesundheit selbst in die Hand zu nehmen.