Dr. med. Arndt Runge: Hormonersatztherapie, Hitzewallungen und Hoffnung
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Dezember 2024
Dr. med. Arndt Runge hat in Berlin und Lübeck studiert und seine medizinische Laufbahn an verschiedenen Kliniken in Norddeutschland begonnen, bevor er seit mehr als zehn Jahren nun in seiner eigenen Praxis tätig ist. Als Allrounder in der Gynäkologie deckt er ein breites Spektrum ab – von Geburtshilfe über allgemeine gynäkologische Betreuung bis hin zu Hormontherapien und Hormonersatztherapie. www.frauenarztpraxis-wandsbek.de
Wie wurde das Thema Wechseljahre in deiner Ausbildung behandelt?
Ich kann mich nicht erinnern, dass das Thema Wechseljahresbeschwerden oder Hormonersatztherapie ein fester Bestandteil meiner Ausbildung war, weder im Studium noch in der Facharztausbildung. Vielleicht gab es in irgendeiner Vorlesung mal einen kurzen Überblick, aber eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich ist definitiv nicht erfolgt. Besonders in der klinischen Praxis hat man wenig über endokrinologische Fragestellungen gelernt, sei es zu Wechseljahren, PMS oder auch zur Verhütung.
Das ist bedauerlich, da diese Themen von großer Relevanz sind, wie wir in der täglichen Praxis sehen. Wie ich bereits erwähnt habe, geht es in der Praxis nicht nur um die Durchführung von Abstrichen und Vorsorgeuntersuchungen, sondern auch um Hormone und Hormontherapien sowie um die Aufklärung der Patientinnen. Eine gute Beratung trägt erheblich dazu bei, dass Frauen ein besseres Verständnis für ihren eigenen Körper entwickeln und sich sicherer im Umgang mit ihren Beschwerden fühlen.
Leider gibt es im Internet viele Fehlinformationen, und es ist wichtig, herauszufiltern, was für die eigene Situation relevant ist. Einen kompetenten Partner an der Seite zu haben, der hilft, die Informationen einzuordnen, ist von unschätzbarem Wert. Viele Erkenntnisse habe ich erst durch den Austausch mit Patientinnen gewonnen, was zeigt, wie wichtig diese Kommunikation ist.
Ist das Thema Hormonersatztherapie in den letzten Jahren wieder aktueller geworden?
Das Thema Hormontherapie wird zunehmend aktueller und stärker nachgefragt. Beschwerden der Wechseljahre gab es zwar schon immer, aber die Wahrnehmung hat sich verändert. Zum einen ist die Thematik heute weniger tabuisiert, und durch mehr Aufklärung, besonders in sozialen Medien, tritt sie stärker in den Fokus. Zum anderen informieren sich Patientinnen aktiv über mögliche Behandlungen, und wir beraten sie gezielt, um die beste Lösung zu finden.
Sind die dann schon gut vorbereitet, wenn sie zu Euch in die Praxis kommen?
Die Patientinnen sind teilweise gut vorbereitet und manchmal würde ich mir wünschen, dass sie besser vorbereitet wären. Einige bringen Informationen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mit. Im Gespräch klären wir dann, wo sie stehen, und ordnen manches neu ein. Wir würden uns mehr Aufklärung wünschen, damit Patientinnen gezielter Fragen stellen, offener mit dem Thema umgehen und dann vielleicht auch eher bereit sind, die ein oder andere Therapieoption anzunehmen.
Vielleicht noch etwas genauer: welche Vorbereitung oder welches Vorwissen würdest Du Dir denn wünschen? Was würde Eure Arbeit leichter machen?
Bei Wechseljahresbeschwerden erleben wir oft eine verbreitete Hormonangst, die auf alten Vorbehalten gegenüber synthetischen Steroiden basiert. Viele Patientinnen empfinden die Entscheidung für oder gegen eine Hormonersatztherapie fast wie die Wahl zwischen „Pest und Cholera“. Das entspricht jedoch längst nicht mehr dem aktuellen Wissensstand: Heute wissen wir, dass hormonelle Unterstützung sehr positive Effekte haben kann. Und deswegen würde ich mir wünschen, dass manche Patientinnen offener wären und den Schritt zu einer solchen Therapie wagen würden.
Dr. med. Arndt Runge im Interview mit Me_not_pause
Also ist es immer noch die Angst vor dem Brustkrebs?
Angst vor Brustkrebs, Thrombosen, Lungenembolien, möglichen Folgeerkrankungen, die weitaus schlimmer sind als das Aushalten von Wechseljahresbeschwerden oder generell durch hormonmangelbedingte Beschwerden oder hormonelle Veränderungen. Es ist einfach immer noch eine generelle Hormonangst im Kontext solcher Therapieoptionen.
Wie geht Ihr mit dieser Angst um?
Ich spreche sehr viel mit den Patientinnen. Ich erkläre ausführlich, hole die Patientin dort ab, wo sie steht, und lasse ihr die Entscheidung offen. Wichtig ist mir, dass sie genug Bedenkzeit hat und sicher ist, welche Therapieoption für sie passt. Dazu gebe ich oft Literaturtipps mit, damit sie sich zu Hause weiter informieren kann. So kann sie bei einem zweiten oder dritten Termin mit fundierten Fragen zurückkommen und wir arbeiten dann gezielt weiter an ihrer Behandlung.
Wir hören immer wieder, dass für ausführliche Beratung sehr wenig Zeit vorhanden ist und die Beratung auch nicht gut abgerechnet werden kann?
Die Abrechnung für eine intensive Beratung kann tatsächlich eine Herausforderung sein. Wenn die Patientin sehr differenzierte Fragen hat und das Gespräch den üblichen zeitlichen Rahmen überschreitet, wäre es sinnvoll, dies in einem separaten Termin zu besprechen. In solchen Fällen könnte man auch in Erwägung ziehen, eine private Abrechnung für diese Beratungsleistung zu vereinbaren.
Es geht dabei keinesfalls darum, den Patientinnen unnötige Kosten aufzuerlegen. Unser Hauptauftrag liegt in der Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen wie Abstrichen, Stuhltests und Ultraschalluntersuchungen. Leider findet der Bereich der Hormonberatung im Abrechnungssystem nicht die Beachtung, die er bräuchte, weshalb wir in solchen Fällen individuelle Lösungen finden müssen.
Es gibt Patientinnen, die klar wissen, welche Untersuchungen sie wünschen, und wir können dies dann unkompliziert abdecken. Falls aber eine Patientin den Wunsch hat, bestimmte Themen noch einmal ausführlich zu besprechen, um sich abzusichern, ist ein zusätzlicher Termin dafür angemessen. Die meisten Patientinnen sind bereit, für diese zusätzliche Beratungsleistung ein bisschen Geld zu zahlen, damit auch der Aufwand für die umfassende Beratung entsprechend honoriert wird.
Für welche Symptome ist denn eine Hormonersatztherapie besonders geeignet? Welche Wechseljahrsbeschwerden bekommt man damit gut in den Griff?
Die Hormonersatztherapie wirkt vor allem bei klassischen Kardinalsymptomen, also bei Hitzewallungen, aufsteigender Wärme, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Diese Beschwerden treten meist ab Mitte 40 auf und sind Folgen des zunehmenden Östrogenmangels. Mit einer Hormontherapie lassen sich diese Symptome oft schon innerhalb von 14 Tagen deutlich lindern.
Darüber hinaus gibt es weitere Beschwerden, die mit den Wechseljahren einhergehen, wie selten Herzrhythmusstörungen oder Gelenkbeschwerden, vor allem in den kleinen Gelenken. Mit einer gezielten Hormontherapie und der passenden Beratung können wir häufig schnell zu Beschwerdefreiheit oder zumindest spürbarer Besserung beitragen.
Die Hormonersatztherapie wirkt vor allem bei klassischen Kardinalsymptomen, also bei Hitzewallungen, aufsteigender Wärme, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Diese Beschwerden treten meist ab Mitte 40 auf und sind Folgen des zunehmenden Östrogenmangels. Mit einer Hormontherapie lassen sich diese Symptome oft schon innerhalb von 14 Tagen deutlich lindern.