Bettina (52): Erfolgreich allein "durchgeschlagen" - Bettinas Weg zum nötigen Wissen und mehr Selbstfürsorge
Veröffentlicht von Saskia Scheibel im April 2025
Bettina, 52 Jahre alt, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, Kaufmännische Angestellte
Hi Bettina, schön, dass du bei uns bist. Stell dich doch einmal kurz vor.
Ich bin Bettina und stamme aus Schleswig-Holstein, in der Nähe der Ostsee, wo ich aufgewachsen bin. Seit fast 28 Jahren bin ich verheiratet und habe zwei erwachsene Söhne im Alter von 26 und 23 Jahren. Beruflich bin ich seit vielen Jahren als kaufmännische Angestellte im Pflegebereich tätig.
Rückblickend betrachtet, traten die ersten Symptome der Wechseljahre Mitte 40 auf, beginnend mit nächtlichen Schweißausbrüchen, die ich zunächst nicht einordnen konnte. Erst später erkannte ich, dass dies frühe Anzeichen der Wechseljahre waren. Die Erkenntnis, dass es sich um die Wechseljahre handeln könnte, kam durch intensive Recherche und das Lesen von Berichten anderer Frauen. Auf Instagram folge ich mehreren Frauen, die über ihre Erfahrungen berichten, und dabei fielen mir Parallelen zu meinen eigenen Beschwerden auf. Dazu gehörten Schlafstörungen, Nachtschweiß und, glücklicherweise weniger häufig, Hitzewallungen tagsüber. Der Nachtschweiß beeinträchtigt meinen Schlaf erheblich, der kann einen echt fertig machen - besonders in Kombination mit einem schnarchenden Partner… Manche Nächte sind echt anstrengend.
Im Laufe der Zeit traten weitere Symptome auf. Jahrelang hatte ich mit einer Hormonspirale verhütet und kaum Blutungen gehabt. Als die nächste Spirale fällig war, kam es zu sehr starken und unregelmäßigen Blutungen, die mich stark belasteten. Als ich so Ende 40 war, war das ganz, ganz schlimm, sodass ich teilweise wirklich nicht vom Klo hochkam. Und dann teilweise auch drei Wochen am Stück, dann hatte ich meine Periode wieder vier, fünf, sechs Wochen gar nicht. Ein verzweifelter Besuch bei meiner damaligen Gynäkologin brachte keine Hilfe, da sie meine Beschwerden abtat mit “Ja, da müssen Sie durch!” und lediglich eine neue Spirale empfahl - ich wollte aber eigentlich gar nicht mehr verhüten irgendwann, das kostet ja auch Geld. Sie hatte das Dollarzeichen im Gesicht, so viel Geld, was sie mit diesem kleinen Eingriff verdienen kann. Alles andere hat sie nicht interessiert. Behandlungsmöglichkeiten, wie Hormonersatztherapie, wurden nicht besprochen.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe es dann erstmal einfach so weiterlaufen lassen, nachdem die Beschwerden zwischenzeitlich auch etwas besser wurden. Dann kehrten sie jedoch noch heftiger wieder zurück. Inzwischen hatte meine alte Frauenarztpraxis den Besitzer gewechselt. Ich suchte eine jüngere Gynäkologin in der neuen Gemeinschaftspraxis auf, die mir wirklich zuhörte und meine Beschwerden ernst nahm. Dazwischen lagen drei Jahre. Sie entfernte die über zehn Jahre alte Spirale und empfahl mir, nur bei Bedarf eine neue einzusetzen. Zusätzlich gab sie mir eine Creme und pflanzliche Tabletten gegen Hitzewallungen mit, denn das hat mich wirklich kirre gemacht… Die setzte ich jedoch aufgrund der Verschlimmerung des Nachtschweißes nach einer halben Woche wieder ab.
Die Symptome sind weiterhin phasenweise vorhanden, wobei sie in stressigen Zeiten stärker auftreten, das geht mir dann auf die Psyche. Schlafstörungen stellen die größte Belastung dar, da sie meine Leistungsfähigkeit und Konzentration im Arbeitsalltag beeinträchtigen. Ich habe schon immer gerne viel geschlafen. Schon immer. Das belastet mich wirklich, wenn man abends früh zu Bett geht, weil man morgens um 04:30 Uhr aufstehen muss und man dann merkt, dass man höchstens drei Stunden am Stück geschlafen hat, dann ist der Tag schon, gelaufen. Und dann muss man auf der Arbeit funktionieren, das ist dann sehr mühsam. Ich habe jetzt endlich einen Arbeitsplatz gefunden, ich gehe gern arbeiten, aber wenn man da immer nur denkt, wann ist endlich Feierabend, wann kann ich nach Hause gehen, weil man müde ist, ist das blöd.
Gelenkschmerzen habe ich auch manchmal, ich vermute, es hat etwas mit meinen Hormonschwankungen zu tun, vor allem, wenn es hektisch wird, merke ich es.
War eine Hormonersatztherapie je eine Option für dich?
Ich habe mich entschieden, vorerst keine Hormonersatztherapie in Anspruch zu nehmen, da in meiner Familie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehäuft auftreten. Deswegen möchte ich vorsichtig sein. Ich habe versucht zu gucken, an welchen Stellschrauben ich sonst noch ein bisschen drehen kann. Ich wollte eigentlich ins Fitnessstudio, da fühlte ich mich aber überhaupt gar nicht wohl. Also das ist nicht mein Ort. Stattdessen versuche ich, so oft wie möglich Yoga zu machen und leichtes Krafttraining zu Hause. Ich habe einen Crosstrainer zu Hause. Und Meditation habe ich für mich entdeckt. Hätte ich nie gedacht, dass ich mich dafür mal interessiere. Aber das hilft mir wirklich auch mal nach einem stressigen Tag oder wenn hier zu Hause die Fetzen fliegen (was leider nicht selten passiert). Da bin ich selber erstaunt, dass das dann wirklich hilft. Ich beobachte meinen Körper sehr intensiv. Das mache ich schon seit vielen, vielen Jahren, dass ich in mich reinhorche.
Ich habe schon manchmal mit der Psyche zu kämpfen. Das weiß ich. Das kenne ich noch aus meiner Pubertät. Wenn meine Hormone durcheinander kommen, neige halt zu depressiven Phasen. Im letzten Winter war ich deshalb vier Monate zu Hause wegen einer depressiven Phase. Meine Hausärztin hat das ganz schnell erkannt und mich darin bestärkt, zu Hause zu bleiben und mir einen neuen Job zu suchen, denn auf meiner alten Arbeitsstelle wurde ich gemobbt. Ich bin nur noch mit zittrigen Knien zur Arbeit gegangen und mit Tränen in den Augen. Ich habe es dann genau so umgesetzt, wie meine Ärztin es empfohlen hat, das konnte ich, weil sie mir den Rückhalt gegeben hat. Sie hat mir keine Psychopharmaka verschrieben. Jetzt bin ich in einem tollen Team an einer neuen Arbeitsstelle angekommen.
Hast du denn gute Freund:innen oder Familie, mit denen du über diese Probleme reden konntest?
Nicht wirklich, weil viele das nicht verstehen können. Ich wollte einfach immer nur arbeiten und gerne zur Arbeit gehen und dafür mein Gehalt bekommen, aber keine Karriere machen. Dann war ich in einer leitenden Funktion und dann hieß es, ich wäre gescheitert. Ich bin nicht gescheitert, ich bin an dem System dort gescheitert. Mit meinem Mann konnte ich darüber gar nicht reden, für ihn ist das nicht greifbar. Er ist der Typ, der auch mit einer Nierenkolik zur Arbeit geht. Er war froh, dass ich nachher wieder einen neuen Job hatte. Aber mit meiner Schwiegertochter habe ich ganz viel sprechen können, sie hat das ganz toll gemacht, dafür, dass sie gerade mal 27 ist.
Über die Wechseljahre mit anderen zu sprechen ist ganz schwierig. Mit meiner jüngeren Cousine spreche ich da ab und zu mal drüber und auch mit einer Freundin, aber die sind alle jünger, die stecken da noch nicht so drin. Ich erzähle ab und zu mal etwas und dann sagt sie “Hast du wieder Wechseljahre?”. Ansonsten ist es schwierig. Ich habe keine Mutter oder Großmütter mehr, die noch leben, auch sonst niemanden, mit dem ich mich dazu austauschen könnte. Aber ich bin es gewöhnt, mich allein durch solche Dinge zu kämpfen. Das kenne ich schon von klein auf.
Was hätte dir da geholfen im Nachhinein?
Die Offenheit in der Gesellschaft! Darüber redet man nicht. Warum nicht? Das ist doch nichts Verwerfliches. Mütter unterhalten sich ja auch über ihre pubertierenden Kinder. Das Thema Wechseljahre ist leider so negativ behaftet.
Eine ältere Kollegin von mir hat das mal so weggewischt. Ich hatte die ganze Nacht wieder nicht geschlafen, weil ich so geschwitzt habe. Da sagte sie nur “Ja, da musst du durch, da mussten wir alle durch”. Ich habe sie nur fassungslos angeguckt. Ich glaube, viele ordnen das einfach nicht richtig zu. Die sagen, sie hätten gar keine Symptome. Eine andere Kollegin sagte, sie glaube, sie komme jetzt in die Wechseljahre, mit 53 oder 54… Ich habe nichts dazu gesagt. Wieder eine andere Kollegin sagte, sie hätte durch die Corona Impfung so ein Herzrasen bekommen. Da musste ich grinsen. Ich hatte mit 46 mit einem Mal Herzrasen ohne Ende und einen sehr hohen Puls. Und da war ich auch wirklich mal beim Arzt. Seitdem nehme ich Betablocker.
Also was ich mir wirklich wünschen würde, wäre, dass Gynäkolog:innen und Allgemeinäzt:innen sich mehr auf dieses Thema konzentrieren würden. Meine Gynäkologin sagt selbst, dass das kein Thema in der Ausbildung sei.
Wie hast du dir denn dein ganzes Wissen angeeignet?
Also ich habe viel über instagram gelernt und auch die öffentlich-rechtlichlichen Sender genutzt, z.B. gucke ich gern das rote Sofa. Da habe ich einige Buch Inspirationen bekommen. Das war schon sehr erstaunlich, was ich da finden konnte. Ich bin mit meiner Freundin in vielen Buchhandlungen unterwegs. Manchmal lese ich dann etwas, das zu 100% auf mich und meine Symptome zutrifft und verstehe dann, dass ich mir keine ernsthaften Sorgen machen muss. Das einzige, was mir damals wirklich Sorgen bereitet hat, war dieser rasende Puls. Da hatte ich schon fast so etwas wie Panikattacken. Meine Hausärztin und ich haben das jetzt aber im Griff und beobachten es einfach gut. Bei ihr fühle ich mich ernst genommen, wenn ich sage, dass ich vermute, dass es etwas mit meinen Hormonen zu tun hat. Dann kann ich auch ganz anders damit umgehen.
Es gibt viele tolle Bücher heutzutage und viele hilfreiche Seiten im Internet, auch die künstliche Intelligenz hilft mir total. ChatGPT habe ich als neuestes Tool für mich entdeckt. Wenn ich merke, dass mir die Antwort zu allgemein ist, dann recherchiere ich eben selbst weiter. Im Moment bin ich auf einem recht guten Level mit meinen Wechseljahrsbeschwerden. Meine oberste Priorität ist es, meinen Schlaf jetzt noch weiter zu verbessern. Ich muss da noch eine Lösung finden, denn phasenweise schlafe ich immer noch schlecht. Teilweise ziehe ich schon in unser Gästezimmer, damit ich mal eine Nacht ein bisschen besser schlafen kann, denn es hilft nicht, wenn jemand neben dir die ganze Zeit “sägt”.
Kannst du für dich auch etwas Positives aus dieser Lebensphase ziehen?
Definitiv. Ich kümmere mich jetzt mehr um mich selbst, nehme mir auch einfach die Zeit dafür und blende alles andere aus. Dann geht es mal einfach nur um mich. Ich habe mich über 30 Jahre lang um alle anderen gekümmert. Ich habe alles gegeben und jetzt bin ich mal dran! Ich hole mir jetzt auch die Hilfe, die ich brauche. Wir Frauen sind ja oft so, dass wir uns um alles andere kümmern und uns dann für uns selbst keine Hilfe suchen.
Bezogen auf die Wechseljahre habe ich auch erst im Nachhinein verstanden, was da losgegangen ist. Ich würde anderen Frauen wünschen, dass ihre Mütter aktiv auf die Töchter zugehen und ihnen sagen, was sie erwarten könnte und ihnen ein zeichen geben, wenn sie erste Veränderungen an ihnen beobachten. Das wäre doch ein Traum! Und ich empfehle allen Frauen, mehr und früher in sich hinein zu horchen und sich um sich selbst kümmern, wenn sie sich nicht gut fühlen statt z sagen “Da kümmere ich mich später drum.”
Das ist ein schöner Schlussappell, vielen Dank!
Zusammenfassung:
Bettina teilt offen ihre Erfahrungen mit den Wechseljahren – von den ersten unklaren Symptomen bis hin zu stark belastenden Schlafstörungen. Sie berichtet von Herausforderungen mit ihrer damaligen Gynäkologin, der Suche nach wirksamen Lösungen und der Bedeutung eines unterstützenden Umfelds. Heute setzt sie auf Selbstfürsorge, Yoga und Meditation, um ihre Beschwerden zu lindern. Ihr größtes Learning: Frauen sollten sich frühzeitig informieren, auf ihren Körper hören und offen über die Wechseljahre sprechen – denn Wissen und Austausch machen diese Phase leichter.