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Wie gehen Unternehmen mit Wechseljahren um?

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Januar 2025 in Allgemeines Wissen

Artikelbild Wie gehen Unternehmen mit Wechseljahren um?

Die Wechseljahre sind eine natürliche Phase im Leben jeder Frau, die jedoch oft mit einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Beschwerden einhergeht. Diese Beschwerden können sich auch auf das Berufsleben auswirken. Trotz der Relevanz dieses Themas wird es in vielen Unternehmen und Organisationen noch immer kaum thematisiert und betroffene Mitarbeiterinnen unterstützt. Wir haben mit den HR-Verantwortlichen eines großen deutschen Unternehmens, einer Bundesbehörde sowie einem Energie-Konzern aus UK gesprochen.

Der Umgang mit Wechseljahresbeschwerden in Unternehmen

In vielen Unternehmen fehlt es an Bewusstsein für die Probleme, die Frauen in den Wechseljahren erleben können. Mehr als die Hälfte der Frauen fühlt sich mit dem Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz allein gelassen [1]. 

Erst in den letzten Jahren ist das Bewusstsein für psychische Erkrankungen gestiegen, doch die Wechseljahre, die über einen längeren Zeitraum sowohl körperliche als auch psychische Beschwerden mit sich bringen können, sind schwer zu fassen. Katrin S.*, die mehr als 30 Jahre, u.a. in leitender Funktion im Personalbereich eines deutschen Konzerns tätig war, berichtet: "Es gibt keine Daten zu Wechseljahresbeschwerden oder Begleitsymptomen, da eine Erfassung aus Datenschutzgründen nicht möglich ist. Auch Charlotte L.*, Personalchefin einer Bundesbehörde, sieht Nachholbedarf: Das Bewusstsein für Wechseljahresbeschwerden sei noch nicht am Arbeitsplatz angekommen. 

Etwas anders sieht es in Großbritannien aus, wo beispielsweise bereits mehr als 2.700 Unternehmen die Menopause Workplace Pledge unterzeichnet haben. Ziel der Menopause Workplace Pledge ist es, die Stigmatisierung zu bekämpfen und das Bewusstsein und die Aufklärung über die Menopause zu fördern [2].

Darüber hinaus gibt es “The Menopause Friendly Accreditation", eine unabhängige Organisation, die Unternehmen dabei unterstützt, ein unterstützendes und integratives Arbeitsumfeld für Frauen zu schaffen, die sich in den Wechseljahren befinden. Die Akkreditierung und das damit verbundene Audit umfassen verschiedene Aspekte wie Schulungen, Richtlinien, kulturelle Sensibilisierung und Anpassungen am Arbeitsplatz (z. B. Zugang zu kühlen Räumen). Bisher wurden mehr als 50 Unternehmen akkreditiert, darunter Accenture, Boots, Unilever [3]. 

Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen in den Wechseljahren

Sensibilisierung

Um das Verständnis für Wechseljahresbeschwerden zu erhöhen, ist neben dem Wissen, was in den Wechseljahren passiert, auch eine offene Kommunikation darüber sehr wichtig. Ein internationaler Energiekonzern hat beispielsweise spezielle Schulungsmodule für Vorgesetzte und Kollegen entwickelt, um das Verständnis und den Umgang mit der Menopause zu verbessern. Laut Larissa D.*, Global Wellbeing Managerin, waren diese E-Learning-Module ein erster Schritt zur Sensibilisierung und praktischen Unterstützung und wurden von den Mitarbeitern sehr gut angenommen. 

Angebote für Frauen und Männer

In vielen deutschen Unternehmen muss erst ein Umdenken stattfinden, um Akzeptanz für maßgeschneiderte Maßnahmen zu schaffen. Charlotte L.: “Man müsste (...) aufzeigen, dass solche Maßnahmen nicht ungerecht sind, weil die Beschwerden eher mit einer langen Krankheit als mit Wellness zu vergleichen sind“. Ein Ansatzpunkt wäre, spezifische Angebote für Frauen und Männer gleichermaßen anzubieten. Katrin S. schlägt vor, bestehende Gesundheits-Check-ups zu erweitern und geschlechtsspezifische Fragen zu Wechseljahresbeschwerden zu integrieren. „Ich könnte mir gut vorstellen, die Wechseljahre zum Thema zu machen und am besten auch etwas Entsprechendes für Männer. Das Ganze könnte unter der Überschrift ‘Gesund älter werden’ laufen.” 

Offenen Austausch unter Frauen ermöglichen

Oft hilft aber auch schon ein offener Austausch über das Thema. Ein innovativer Ansatz sind z.B. monatliche virtuelle Menopause-Cafés, die bereits von einigen Unternehmen, u.a. Tesco und SAP, angeboten werden. Diese Treffen bieten eine Plattform für Erfahrungsaustausch und Unterstützung und werden von Co-Moderatorinnen aus verschiedenen Ländern geleitet. 

Darüber hinaus bietet das Unternehmen Zugang zu einer Hotline mit qualifizierten Krankenschwestern und hat in Zusammenarbeit mit Headspace spezielle Meditationsangebote für Frauen in den Wechseljahren entwickelt.

Barrieren und Herausforderungen

Ein großes Hindernis bei der Umsetzung solcher Maßnahmen ist oft das zusätzliche Budget, das dafür bereitgestellt werden muss, wobei Katrin S. und Charlotte L. einen klaren Engpass sehen. Charlotte L. stellt oft auch ein mangelndes Verständnis seitens der männlichen Kollegen fest: “Ich glaube, es ist nicht gerade hilfreich, dass Männer nicht darunter leiden und viele Maßnahmen immer noch von männlichen Führungskräften genehmigt werden müssen.” Sie weist darauf hin, dass das Verständnis dafür fehle, “dass diese Symptome nichts sind, was man bzw. die Frau durch ein bisschen ‘Zusammenreißen’ (...) überwinden sollte”.

Im Vereinigten Königreich gibt es einige Unternehmen mit speziellen Initiativen zur Einbeziehung von Männern in das Thema Menopause, einschließlich eines Menopause-Cafés und Schulungen, die sich speziell an Männer richten. Dies trägt dazu bei, das Verständnis und die Unterstützung unter den männlichen Kollegen zu erhöhen.

Angst vor Diskriminierung

Neben einem möglichen finanziellen Engpass ist die Angst vor Diskriminierung ein weiterer wichtiger Aspekt. Charlotte L. schätzt diese als sehr hoch ein: "Wenn nach PMS und Schwangerschaft nun mit Wechseljahresbeschwerden das nächste ,Frauenleiden' um die Ecke kommt, kann sich das - so ungerecht das auch sein mag - durchaus negativ auf sie und ihre Karriere auswirken." Dies bestätigt auch die aktuelle Studie des Forschungsprojekts Menosupport der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Demnach befürchten 29 Prozent, benachteiligt zu werden, wenn andere im Betrieb wissen, dass sie unter Wechseljahresbeschwerden leiden, und 25,1 Prozent fühlen sich am Arbeitsplatz weniger wertgeschätzt als ihre gleichaltrigen männlichen Kollegen bzw. weniger wertgeschätzt als jüngere Kolleginnen [4]. 

Katrin S. rät zu einem vertrauensvollen Gespräch mit dem Betriebsarzt und betont die Bedeutung eines engagierten Netzwerks. "Aus meiner Sicht kann das Angebot einer erweiterten freiwilligen Vorsorgeuntersuchung und Beratung durch den betriebsärztlichen Dienst helfen“. 

Charlotte L. empfiehlt, Beschwerden ernst zu nehmen und sich eine Vertrauensperson im beruflichen Umfeld zu suchen: "Erst einmal sich selbst eingestehen, wenn ich Beschwerden habe und die Schwere der Situation ernst nehmen." In größeren Unternehmen kann auch der Betriebsrat über das betriebliche Gesundheitsmanagement Einfluss auf Maßnahmen im Unternehmen nehmen [5].

Prävention von Teilzeitarbeit und Berufsaufgabe

Statistiken zeigen, dass viele Frauen aufgrund ihrer Beschwerden in Teilzeit arbeiten oder sogar ihren Beruf aufgeben. Alle Expert:innen sind sich einig, dass entsprechende Maßnahmen dies verhindern könnten. Charlotte L.: "Gerade angesichts des aktuellen Fachkräftemangels und der erschreckenden Zahlen zum demografischen Wandel können wir es uns als Gesellschaft nicht leisten, gut ausgebildete und eingearbeitete Frauen im besten Alter für den Arbeitsmarkt zu verlieren." Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten, angepasste Arbeitsplätze und spezielle Gesundheitsangebote fördern daher nicht nur das Wohlbefinden der Frauen, sondern können auch dazu beitragen, die Mitarbeiterbindung zu stärken und die Produktivität zu erhalten, indem erfahrene Fachkräfte im Unternehmen gehalten werden.

Fazit

Wechseljahre sind ein Thema, das in der Arbeitswelt mehr Aufmerksamkeit verdient. Durch gezielte Maßnahmen und Sensibilisierung aller Beteiligten können Unternehmen nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen fördern, sondern auch langfristig von deren Erfahrung und Engagement profitieren. Es liegt an den Unternehmen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein unterstützendes und verständnisvolles Arbeitsumfeld zu schaffen. Vor allem die Initiativen der britischen Unternehmen zeigen, dass mit Engagement und Innovation viel erreicht werden kann, um die Arbeitswelt Wechseljahrsgerechter zu gestalten.

Zusammenfassung:

Viele Unternehmen in Deutschland zeigen wenig Bewusstsein, während Großbritannien mit Initiativen wie der "Menopause Workplace Pledge" und "Menopause Friendly Accreditation" vorangeht. Schulungen und offene Kommunikation werden als wesentliche Maßnahmen hervorgehoben, um das Verständnis zu fördern. Finanzielle Hürden und Diskriminierungsängste bleiben Hindernisse, aber gezielte Unterstützung kann Frauen im Berufsleben stärken und ihre langfristige Beschäftigung sichern.

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Quellen:

*Namen geändert: Interviews durchgeführt im Juni 2024.

  1. Forschungsprojekt Menosupport (2024): Erste Ergebnisse des Projekts der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, URL
  2. https://www.wellbeingofwomen.org.uk/menopause-workplace-pledge/
  3. https://menopausefriendly.co.uk/
  4. Forschungsprojekt Menosupport (2024): Erste Ergebnisse des Projekts der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, URL
  5. Tabuthema Wechseljahre am Arbeitsplatz, derbetriebsrat.de, aufgerufen am 15.08.24, URL
  • CIPD. (2023) Menopause in the workplace: Employee experiences in 2023. London: Chartered Institute of Personnel and Development, URL