Körperliche und geistige Erschöpfung (Fatigue)
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Mai 2025 in Symptome
In den Wechseljahren verändert sich nicht nur der Hormonhaushalt, sondern häufig auch das allgemeine Energieempfinden. Viele Frauen berichten von anhaltender Müdigkeit, Erschöpfung und Konzentrationsproblemen – ein Phänomen, das oft unter dem Begriff „Fatigue“ zusammengefasst wird. Anders als gelegentliche Erschöpfung, die nach einer kurzen Ruhepause verfliegt, kann Fatigue über Wochen oder Monate bestehen bleiben und sowohl körperliche als auch geistige Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen.
Was ist Fatigue?
Fatigue lässt sich nicht allein durch Schlafmangel erklären. Vielmehr handelt es sich um eine anhaltende, überwältigende Erschöpfung, die sich auf zwei Ebenen äußert:
Körperliche Erschöpfung
Gefühl, nicht mehr genug Energie für Alltagsaktivitäten zu haben
Muskelkraft und Ausdauer sogar bei kleinen Belastungen stärker eingeschränkt
Häufige Begleiterscheinungen: Gliederschmerzen, Schwächegefühl und schnelleres Ermüden bei körperlicher Aktivität
Geistige Erschöpfung
Konzentrationsstörungen und anhaltendes „Brain Fog“ (geistige Umnebelung)
Verminderte Aufmerksamkeitsspanne, Schwierigkeiten beim Multitasking
Gedächtnislücken oder vermehrtes Vergessen von Alltäglichem
Im Unterschied zur normal abgeklungenen Müdigkeit stellt Fatigue eine dauerhafte Einschränkung dar und lässt sich durch ausreichenden Schlaf oder ein kurzes Nickerchen kaum beheben.
Warum tritt Fatigue in den Wechseljahren auf?
Mehrere Faktoren wirken zusammen, sodass in den Wechseljahren häufig ähnliche Beschwerden wie bei chronischer Erschöpfung beobachtet werden. Die wichtigsten Ursachen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Hormonelle Veränderungen
- Abfall von Östrogen und Progesteron: Östrogene haben vielfältige Funktionen, unter anderem auf das Nervensystem und den Energiehaushalt. Sinkt ihr Spiegel, kann dies den Serotonin- und Dopamin-Stoffwechsel beeinträchtigen – Botenstoffe, die auch für Wachheit und Antrieb verantwortlich sind.
- Gestörte Schlafregulation: Progesteron wirkt schlaffördernd, und ein niedriger Progesteronspiegel kann zu unruhigem Schlaf und häufigen nächtlichen Wachphasen führen. Schlafunterbrechungen wiederum verschlimmern Fatigue erheblich.
Schlafstörungen
Schlafstörungen als Begleiterscheinung
- Hitzewallungen und nächtliche Schweißausbrüche: Plötzliche Wärmeempfindungen und vermehrtes Schwitzen können das Durchschlafen erheblich erschweren.
- Einschlaf- und Durchschlafprobleme: Ohne erholsame Schlafphasen fehlt dem Körper die Gelegenheit, sich zu regenerieren.
Psychische Belastungen
- Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen: Wenn Stimmungsschwankungen oder leichte depressive Episoden hinzukommen, erhöht sich das Empfinden von Erschöpfung. Schlafmangel und reduzierte Stressresistenz verstärken diesen Teufelskreis.
- Stressoren aus dem Alltag: Berufliche Herausforderungen, Pflegeverantwortung für Kinder oder Angehörige, Beziehungsprobleme oder das sogenannte „Empty-Nest-Syndrom“ können zusätzlich belasten und die mentale Energiereserve verringern.
Veränderungen im Stoffwechsel
- Reduzierter Grundumsatz: Mit abnehmendem Östrogenspiegel sinkt der Grundenergieverbrauch häufig leicht ab, was zu einem trägheitsfördernden Stoffwechsel führen kann.
- Veränderungen der Muskelmasse: Ein gewisser Verlust an Muskelmasse und -kraft wird in dieser Lebensphase oft beobachtet und trägt zur schnellen Ermüdbarkeit bei.
- Verminderte Mitochondrienfunktion: Auf zellulärer Ebene kann sich die Energieproduktion in den Mitochondrien leicht verändern, sodass Zellen weniger effizient ATP (Adenosintriphosphat) bereitstellen, das für alle Energieprozesse erforderlich ist.
Mögliche Begleiterkrankungen
- Schilddrüsenunterfunktion: Häufigkeit und Symptome können sich überschneiden; bei Fatigue sollte daher die Schilddrüsenfunktion abgeklärt werden.
- Eisenmangel oder andere Nährstoffdefizite: Unbemerkte Mangelzustände (z. B. Eisen, Vitamin D, Vitamin B₁₂) führen zu Erschöpfung und Konzentrationsstörungen.
- Schlafapnoe: Chronische Atemaussetzer in der Nacht gehen oft mit Tagesschläfrigkeit und abnehmender Leistungsfähigkeit einher.
Charakteristische Anzeichen und Beschwerden
Fatigue in den Wechseljahren manifestiert sich durch eine Kombination folgender Symptome:
- Anhaltende Müdigkeit: Selbst nach ausreichend Schlaf bleibt ein Gefühl der Erschöpfung bestehen.
- Schnellere Ermüdbarkeit: Tätigkeiten wie Treppensteigen, Einkaufen oder Haushalt kosten mehr Kraft.
- Geringere Belastbarkeit: Körperliche Aktivitäten, die zuvor mühelos waren, fallen zunehmend schwer.
- Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, sich länger auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren.
- Brain Fog: Gefühl von „Watte im Kopf“ oder geistiger Vernebelung; alltagsrelevante Informationen wirken schwer zugänglich.
- Emotionale Labilität: Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit und reduzierte Stressresistenz treten verstärkt auf.
- Schlafstörungen: Einschlafprobleme, nächtliches Wachwerden oder frühmorgendliches Erwachen.
- Körperliche Beschwerden: Muskelkaterähnliche Symptome, allgemeine Schwäche und erhöhter Ruhepuls.
Da viele dieser Anzeichen auch bei anderen Erkrankungen vorkommen, ist eine sorgfältige Abgrenzung (Differenzialdiagnose) wichtig. Zudem zeigen Patientinnen häufig nur einen Teil der genannten Symptome, weshalb der individuelle Beschwerdeverlauf sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Einfluss auf den Alltag und die Lebensqualität
Fatigue wirkt sich direkt auf unterschiedliche Lebensbereiche aus:
Berufliche Leistungsfähigkeit: Verminderte Konzentration, langsameres Denkvermögen und häufige Erschöpfungsphasen können die Arbeitsproduktivität beeinträchtigen.
Soziale Kontakte: Rückzugstendenzen und reduzierte Kommunikationsfreude entstehen, wenn kaum noch Energie für Freizeitaktivitäten bleibt.
Partnerschaft und Familie: Geduld schwindet, Gespräche werden seltener oder konfliktreicher, da Erschöpfung und Reizbarkeit zunehmen.
Alltagsbewältigung: Selbst einfache Routinetätigkeiten benötigen mehr Zeit und Anstrengung, was Frustration auslösen kann.
Fatigue ist damit nicht nur ein rein körperliches Phänomen, sondern beeinflusst das seelische Befinden und die soziale Teilhabe. Häufig besteht eine Wechselwirkung zu Stimmungsschwankungen oder depressiven Verstimmungen, sodass ein Teufelskreis entstehen kann.
Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen
Bei ausgeprägter Erschöpfung ist es wichtig, andere potenzielle Ursachen auszuschließen oder zu erkennen:
Schilddrüsenfehlfunktion: Hypothyreose kann zu starker Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit und Gewichtszunahme führen.
Eisenmangelanämie: Typisch sind Blässe, Luftnot bei Belastung und schnelle Ermüdbarkeit.
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS/ME): Hier steht eine pathologische Erschöpfung nach geringer Belastung im Vordergrund, oft verbunden mit post-exertionalem Nausea-Syndrom (PEM).
Depressive Erkrankungen: Schwere depressive Episoden äußern sich nicht nur durch Müdigkeit, sondern auch durch anhaltende Niedergeschlagenheit, Suizidgedanken oder starke Interessenlosigkeit.
Schlafapnoe: Wird durch nächtliche Atemaussetzer verursacht; Betroffene klagen meist über lautes Schnarchen und Tagesmüdigkeit.
Durch gezielte Diagnostik (Blutuntersuchungen, Schilddrüsenwerte, nächtliche Atemmessungen, psychologische Screenings) lässt sich der genaue Hintergrund der Erschöpfung klären.
Wann ist eine ärztliche Abklärung sinnvoll?
Fortbestehende Fatigue, die über mehrere Monate anhält und mit folgenden Begleiterscheinungen einhergeht, sollte näher untersucht werden:
Plötzlicher, starker Abfall der Leistungsfähigkeit
Intensive, anhaltende depressive Symptome
Unbeabsichtigter Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme
Zeichen einer Schilddrüsenfehlfunktion (z. B. Kälteempfindlichkeit, raue Haut)
Chronische Schmerzen oder andere organische Begleitsymptome (z. B. Atemnot, Brustschmerzen)
Eine umfassende Diagnostik (Labor, mögliche Schlafuntersuchung) hilft dabei, weitere Erkrankungen auszuschließen und die Wechseljahrs-bedingte Fatigue eindeutig zuzuordnen.
Fatigue in den Wechseljahren ist ein multifaktorielles Phänomen, das sowohl hormonelle Schwankungen als auch psychosoziale und metabolische Aspekte vereint. Ein grundsätzlicher, ganzheitlicher Ansatz—bestehend aus Lebensstiländerungen, Entspannungsverfahren, gezielter Nährstoffversorgung und ggf. hormoneller oder psychotherapeutischer Intervention—kann das Energieempfinden deutlich verbessern.
Wichtig ist die frühzeitige Erkennung und Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen, um gezielt gegensteuern zu können. Davon profitieren sowohl körperliches Wohlbefinden als auch die psychische Stabilität und die Lebensqualität insgesamt.
Zusammenfassung:
Körperliche und geistige Erschöpfung (Fatigue) in den Wechseljahren äußert sich durch anhaltende Müdigkeit, schnelle Ermüdbarkeit und Konzentrationsprobleme, die sich trotz ausreichendem Schlaf nicht bessern. Hauptursache ist das Absinken von Östrogen und Progesteron, das den Serotonin- und Dopaminhaushalt stört, zu Schlafstörungen (etwa durch Hitzewallungen) führt und Stoffwechselprozesse beeinträchtigt. Begleitende Faktoren wie Stress, Gewichtszunahme und mögliche Nährstoffdefizite (z. B. Eisen, Vitamin D) verstärken das Erschöpfungsgefühl. Typische Beschwerden sind Muskel- und Gliederschmerzen, „Brain Fog“ und emotionale Labilität, die Alltag und Leistungsfähigkeit einschränken. Abzugrenzen ist Fatigue von Schilddrüsenfehlfunktionen, chronischem Erschöpfungssyndrom und Depressionen. Eine Kombination aus verbesserter Schlafhygiene, ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung, Stressmanagement, gegebenenfalls Phytotherapie oder Hormonersatztherapie sowie psychotherapeutischer Begleitung kann das Energielevel deutlich steigern.
Quellen:
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