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Interview

Marie (47): Ein Vogel auf dem Tisch und die Welt bricht zusammen: Mein Kampf mit den ersten Wechseljahres-Symptomen

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Dezember 2024

Artikelbild Marie (47): Ein Vogel auf dem Tisch und die Welt bricht zusammen: Mein Kampf mit den ersten Wechseljahres-Symptomen

Marie, 47 Jahre, 3 Kinder, selbstständig, Perimenopause, macht seit einem Jahr Hormonersatztherapie

Wann hast du zum ersten Mal Symptome bemerkt, die auf die Wechseljahre hinweisen könnten?

Vor anderthalb Jahren, also mit 46, habe ich starke Stimmungsschwankungen gehabt. Ich habe gemerkt, dass ich mich besonders in der zweiten Zyklushälfte extrem anstrengen musste, um nicht emotional überzureagieren – sei es durch Weinen oder Wutausbrüche. Der Moment, der mir wirklich gezeigt hat, dass etwas nicht stimmt, war vorletzten Sommer. Es war ein perfekter Sonntagmorgen: tolles Wetter, die Kinder waren lieb und ruhig, und ich saß mit meinem Kaffee auf der Terrasse. Alles hätte wunderbar sein können, aber dann habe ich gesehen, dass ein Vogel auf meinen neuen Terrassentisch gemacht hatte. Ich wusste ja rational, dass das kein Drama ist, aber ich fing plötzlich an zu weinen, ging ins Haus und hab meine Kinder angemeckert. 

Das war das erste Mal, dass ich realisierte, dass etwas ernsthaft nicht stimmt. Bis dahin war ich nie krank oder hatte Probleme, die nicht schnell mit Ibuprofen oder Ähnlichem verschwanden. Aber in diesem Moment wurde mir klar: Hier passiert etwas mit mir, das ich nicht einfach kontrollieren kann. Die Stimmungsschwankungen waren so extrem, dass ich wirklich Sorge  hatte, mich nicht mehr sozial angemessen zu verhalten. Daraufhin habe ich begonnen, mich mit der Situation auseinanderzusetzen. 

Das war das erste Mal, dass ich realisierte, dass etwas ernsthaft nicht stimmt. Bis dahin war ich nie krank oder hatte Probleme, die nicht schnell mit Ibuprofen oder Ähnlichem verschwanden. Aber in diesem Moment wurde mir klar: Hier passiert etwas mit mir, das ich nicht einfach kontrollieren kann. Die Stimmungsschwankungen waren so extrem, dass ich wirklich Sorge hatte, mich nicht mehr sozial angemessen zu verhalten.

Marie

Hast du gedacht, dass es sich um die Wechseljahre handeln könnte? Oder war es zunächst nur das Gefühl, dass etwas mit dir passiert, ohne es genau einordnen zu können?

Ich konnte die Symptome relativ schnell mit der zweiten Zyklushälfte in Verbindung bringen. Ich habe mich in der zweiten Zyklushälfte einfach zunehmend schlechter gefühlt – alles war gedämpfter. Dinge, die mir früher Freude gemacht haben, waren weniger spannend, und die negativen Sachen haben mich stärker runtergezogen. Mein Stimmungsniveau war wie eine schwankende Kurve, aber eben insgesamt auf einem deutlich tieferen, schlechteren Level.

Daraufhin bin ich zu meiner früheren Psychotherapeutin gegangen, weil ich schon dachte, ich könnte Depressionen haben. Sie hat das ausgeschlossen und meinte, dass es eher hormonell bedingt sei. Das hat mich bestärkt, dass ein Hormonmangel vermutlich die Ursache ist, weil er die "Verdrahtung" im Kopf beeinflusst. Also bin ich zu meiner Frauenärztin gegangen und habe ihr davon erzählt. Leider war das Gespräch total frustrierend, weil ich den Eindruck hatte, dass sie weder wirklich zuhören wollte noch sich die Zeit genommen hat, auf meine Situation einzugehen.

Stattdessen kam direkt ein Standardvorschlag: "Das klingt nach Progesteronmangel, ich empfehle Ihnen die Minipille." Ich war völlig vor den Kopf gestoßen, weil sie nicht einmal gefragt hat, ob ich überhaupt Interesse an hormonellen Verhütungsmitteln habe. Nach meinen drei IVF-Behandlungen hatte ich meinen Körper jahrelang mit Hormonen belastet und wollte eigentlich keine weiteren nehmen. Dieser Ratschlag fühlte sich einfach falsch an – sowohl inhaltlich als auch von der Art, wie er mir gegeben wurde.

Als ich nach anderen Optionen gefragt habe, war klar, dass sie weder Lust noch genug Fachwissen hatte, um mir wirklich weiterzuhelfen. Daraufhin habe ich begonnen, mit Freundinnen zu sprechen, was zwar hilfreich sein kann, aber mir fehlte ein professioneller Rat. Also habe ich mich auf die Suche nach einer Frauenärztin gemacht, die mir wirklich zuhören und kompetent weiterhelfen kann.

Daraufhin bin ich zu meiner früheren Psychotherapeutin gegangen, weil ich schon dachte, ich könnte Depressionen haben. Sie hat das ausgeschlossen und meinte, dass es eher hormonell bedingt sei. (...). Also bin ich zu meiner Frauenärztin gegangen und habe ihr davon erzählt. Leider war das Gespräch total frustrierend, weil ich den Eindruck hatte, dass sie weder wirklich zuhören wollte noch sich die Zeit genommen hat, auf meine Situation einzugehen.

Marie

Ich hatte von einer Freundin eine Ärztin empfohlen bekommen, die jedoch das andere Extrem war: super anthroposophisch, mit Rosenquarz im Wartezimmer. Sie wollte direkt ein Blutbild machen und mir dann jede Menge Supplements von einer speziellen Marke verschreiben. Das hat sich für mich auch nicht richtig angefühlt. Ich war überzeugt, dass ich den Progesteronmangel gezielt mit Hormonen angehen sollte und langfristig eine Hormonersatztherapie (HET) wahrscheinlich der richtige Weg für mich wäre.

Als die nächste empfohlene Ärztin ebenfalls keinen Platz hatte, habe ich beschlossen, mich selbst zu informieren. Ich habe das Buch Women on Fire gelesen. Zwar ist der Stil etwas reißerisch, aber inhaltlich fand ich es wirklich gut. Außerdem habe ich Podcasts gehört, vor allem amerikanische, die mir geholfen haben, das Thema umfassend zu verstehen. Besonders wichtig fand ich, zu begreifen, warum HET in Deutschland so einen schlechten Ruf hat, unter anderem wegen der fehlerhaften Women’s Health Study aus den 2000er-Jahren. Dieses Hintergrundwissen hat mir geholfen, mir ein klares Bild zu machen. 

Was ich dabei auch erkannt habe, ist, wie stark das Thema Wechseljahre mit anderen Bereichen wie Longevity verknüpft ist – etwa, wie der Hormonabfall zu schlechterer Knochendichte führt. Ich habe mir das Ziel gesetzt, mich wieder gut zu fühlen, und für mich Aktionsfelder definiert: Ernährung, Sport, Erholung sowie Nahrungsergänzung und Medikamente. Für jedes dieser Felder habe ich Maßnahmen ausprobiert – von Ernährungsumstellungen bis hin zu experimentellen Tools wie einem Blutzuckersensor. Nach anderthalb Jahren habe ich für mich Strategien gefunden, die in allen Bereichen funktionieren und mich spürbar besser fühlen lassen.

Was ich dabei auch erkannt habe, ist, wie stark das Thema Wechseljahre mit anderen Bereichen wie Longevity verknüpft ist – etwa, wie der Hormonabfall zu schlechterer Knochendichte führt. Ich habe mir das Ziel gesetzt, mich wieder gut zu fühlen, und für mich Aktionsfelder definiert: Ernährung, Sport, Erholung sowie Nahrungsergänzung und Medikamente.

Marie

Und dann hast Du Dir von Deiner Gynäkologin HET verschreiben lassen? Wie hat sie reagiert?

Meine Frauenärztin hat mir von Anfang an gesagt: „Ich empfehle es nicht, aber wenn Sie unbedingt Hormone wollen, können Sie es ausprobieren.“ Und jetzt nehme ich jeden Abend 200mg Progesteron, oral als Kapsel. Ich hatte mit 100mg angefangen, aber bin dann recht schnell auf 200mg gegangen, weil es sich besser angefühlt hat, und mir geht es super damit.

Wie und wann hast Du konkrete Verbesserungen gemerkt?

Das finde ich schwierig zu sagen, denn da spielen ja viele Faktoren mit rein – wie allgemeine Fitness, Schlafqualität, Stress durch Kinder oder den Job. Diese Einflüsse lassen sich nicht isoliert betrachten und ich habe ja im Rahmen meiner “Informationsreise” in allen Bereichen etwas verändert.

Ich spüre Verbesserungen, wobei mir  unklar ist, ob sie von den Maßnahmen kommen oder auch “nur” vom Gefühl, aktiv etwas zu tun. Dieser mentale Effekt – nicht nur abzuwarten – trägt sicherlich dazu bei. Selbst wenn man sich Erfolge ein Stück weit einredet, fühlt sich das deutlich besser an. Insgesamt habe ich das Gefühl, wieder auf dem Niveau von vor den Beschwerden zu sein.

Hast Du auch mal Deinen Hormonstatus erheben lassen?

Ja, anfangs wollte ich einen datengetriebenen Ansatz verfolgen: regelmäßig Blutwerte messen und die Dosierung danach anpassen. Aber das hat nicht funktioniert, da die Werte zu stark schwanken. Letztlich verlasse ich mich auf mein Körpergefühl, das für die Anpassung der Dosierung und den Umgang mit Hormonersatz am wichtigsten ist. Sport, Ernährung und Schlaf haben ebenfalls eine große Rolle dabei gespielt, dass ich mich insgesamt besser fühle.

Was hast Du konkret bei Deiner Ernährung geändert?

Ich achte auf eine proteinreiche Ernährung und ergänze mit Proteinpulver. Zusätzlich lege ich Wert auf Darmgesundheit – das habe ich schon immer getan, jetzt aber noch bewusster, vor allem wegen Ballaststoffen und ihrer Wirkung auf das Immunsystem. Kurzkettige Kohlenhydrate vermeide ich, um Blutzuckerspitzen zu reduzieren, die Müdigkeit und Stimmungsschwankungen auslösen können. Wichtig ist mir, dass ich mich durch die Ernährung wohlfühle: Ich esse mich satt und hungere nicht, da Hungern sofort meine Laune ruiniert.

Genuss bleibt dabei wichtig – ich esse weiterhin Fleisch und trinke Alkohol, allerdings in moderateren Mengen. Insgesamt merke ich, dass sich mein Körper durch diese Anpassungen besser anfühlt als früher.

Unternimmst Du auch irgendwas zum Thema Stressreduktion?

Ich bin nicht der Typ, der eine Mindfulness-App hat oder abends Yoga macht. Stattdessen mache ich viel mehr Waldläufe – Ausdauersport in Zone 2, wenn möglich. Dabei bin ich oft allein, ohne Podcast oder Begleitung, einfach nur in der Stille mit mir selbst. Das hilft mir spürbar, Stress abzubauen und meinem Körper etwas Gutes zu tun.

Hast Du auch etwas Anderes, z.B. Heilpflanzen etc. ausprobiert?

Ich stelle mir vor, dass Hormone wie die “Chef-Steuerleute” im Körper funktionieren, die die großen Hebel bewegen. Für mich macht es daher mehr Sinn, direkt dort anzusetzen, statt mit kleinen Stellschrauben wie Nahrungsergänzungsmitteln oder Mikroanpassungen zu beginnen, wie es manche anthroposophischen Ansätze vorschlagen. Ich gehe lieber den größten Hebel zuerst an, weil ich glaube, dass er den größten Einfluss hat.

Wie planst du weiter mit der HET? Kontrollierst du das regelmäßig, etwa mit Blutbildern, oder orientierst du dich einfach daran, wie du dich fühlst?

Ich mache es so lange, wie es mir gut geht, habe aber keinen festen Check-in dafür, und das fehlt mir. Ich wünsche mir eine Frauenärztin, die fachlich tief einsteigt, meine Daten über Zeit verfolgt und mit mir auf einer Wellenlänge ist. Bisher habe ich keine gefunden, die meinen Ansatz teilt: Nicht "Nehmen Sie die Minipille" oder "Probieren Sie mal Supplements", sondern jemand, der das komplexe Zusammenspiel von Progesteron, Zyklusveränderungen und ersten Anzeichen bei Östrogenmangel ernsthaft begleitet. Ich hätte gerne eine kontinuierliche Beratung, die Stimmungen, Blutungsunregelmäßigkeiten und Laborwerte langfristig im Blick behält und mir dabei hilft, eine gute Datengrundlage aufzubauen und mich begleitet.  

Vielen Dank Marie für dieses offene Gespräch!

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