🎓 Jetzt neue Kurse in der Academy

Interview

Dr. med. Arndt Runge: Vaginale Atrophie

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Dezember 2024

Artikelbild Dr. med. Arndt Runge: Vaginale Atrophie

Dr. med. Arndt Runge hat in Berlin und Lübeck studiert und seine medizinische Laufbahn an verschiedenen Kliniken in Norddeutschland begonnen, bevor er seit mehr als zehn Jahren nun in seiner eigenen Praxis tätig ist. Als Allrounder in der Gynäkologie deckt er ein breites Spektrum ab – von Geburtshilfe über allgemeine gynäkologische Betreuung bis hin zu Hormontherapien und Hormonersatztherapie. www.frauenarztpraxis-wandsbek.de

Dr. med. Arndt Runge

Dr. med. Arndt Runge

Vaginale Atrophie: ein Thema, was viele Frauen betrifft, aber wenige wahrscheinlich pro-aktiv ansprechen. Was kannst Du uns dazu sagen?

Die vulvo-vaginale Atrophie, auch bekannt als urogenitales Postmenopausensyndrom, ist eine häufige Veränderung der Schleimhäute, die im Zusammenhang mit den Wechseljahren auftritt und bereits ab Mitte bis Ende 40 beginnen kann. Betroffen sind nicht nur die Vaginalhaut, sondern auch die Vulva, einschließlich der großen und kleinen Schamlippen sowie des Scheideneingangs, die eine hohe Dichte an Östrogenrezeptoren aufweisen. Mit dem fortschreitenden Östrogenmangel kommt es zu schleichenden Veränderungen der Gewebestrukturen. Diese Veränderungen können oft schon bei gynäkologischen Untersuchungen sichtbar werden, selbst wenn die Patientin noch keine Beschwerden verspürt. Schätzungen zufolge klagen etwa 50 % der postmenopausalen Frauen über Symptome. Infolge der Atrophie werden die Schleimhäute dünner und empfindlicher.

Das natürliche Scheidensekret, dieser Weißfluss, nimmt ab oder kann ganz verschwinden. Dies führt zu einem erhöhten Risiko für Scheideninfektionen, aber auch für Fehlbesiedlungen der Vaginalflora, was wiederum das Risiko für Blasenentzündungen steigert. Zudem beobachten wir häufig eine verstärkte Symptomatik der Reizblase, die im Zusammenhang mit dem Hormonmangel und den Veränderungen an den Genital- und Schleimhäuten steht. Bei gynäkologischen Untersuchungen, insbesondere während der Vorsorgeuntersuchung, zeigen sich oft kleine Petechien, das sind winzige Einblutungen, die bereits durch das Berühren der Schleimhäute mit den Instrumenten entstehen können.

Vor allem leiden viele Frauen unter einer Fehlbesiedlung des atrophen Epithels, also der geschwächten Vaginalhaut, durch Darmbakterien. Viele Patientinnen berichten, dass sie plötzlich einen gelblichen oder bräunlichen Ausfluss bemerken. Ein zentrales Problem ist der Einfluss auf die Sexualität: Viele empfinden den Geschlechtsverkehr als unangenehm und ziehen sich zunehmend zurück. In der Sprechstunde ist es wichtig, solche Themen anzusprechen und aktiv zu behandeln, um den betroffenen Frauen zu helfen, ihre Beschwerden zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Es muss nicht so sein, dass sie ihre Sexualität aufgeben.

Schätzungen zufolge klagen etwa 50 % der postmenopausalen Frauen über Symptome. Infolge der Atrophie werden die Schleimhäute dünner und empfindlicher.

Dr. med. Arndt Runge

Das natürliche Scheidensekret, dieser Weißfluss, nimmt ab oder kann ganz verschwinden. Dies führt zu einem erhöhten Risiko für Scheideninfektionen, aber auch für Fehlbesiedlungen der Vaginalflora, was wiederum das Risiko für Blasenentzündungen steigert. Zudem beobachten wir häufig eine verstärkte Symptomatik der Reizblase, die im Zusammenhang mit dem Hormonmangel und den Veränderungen an den Genital- und Schleimhäuten steht. Bei gynäkologischen Untersuchungen, insbesondere während der Vorsorgeuntersuchung, zeigen sich oft kleine Petechien, das sind winzige Einblutungen, die bereits durch das Berühren der Schleimhäute mit den Instrumenten entstehen können.

Vor allem leiden viele Frauen unter einer Fehlbesiedlung des atrophen Epithels, also der geschwächten Vaginalhaut, durch Darmbakterien. Viele Patientinnen berichten, dass sie plötzlich einen gelblichen oder bräunlichen Ausfluss bemerken. Ein zentrales Problem ist der Einfluss auf die Sexualität: Viele empfinden den Geschlechtsverkehr als unangenehm und ziehen sich zunehmend zurück. In der Sprechstunde ist es wichtig, solche Themen anzusprechen und aktiv zu behandeln, um den betroffenen Frauen zu helfen, ihre Beschwerden zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Es muss nicht so sein, dass sie ihre Sexualität aufgeben.

Und was kann man da machen?

Es gibt eine Vielzahl von Gleitcremes, die in Apotheken oder Online-Shops erhältlich sind, sowie Hausmittel wie Melkfett oder Vaseline, die viele Patientinnen zur Linderung ihrer Beschwerden anwenden. Während solche Produkte kurzfristige Erleichterung bieten können, bleiben die Veränderungen der Schleimhäute aber langfristig bestehen und nehmen oft sogar zu. Die Frage ist, wie diszipliniert man als Patientin wirklich ist, sich morgens und abends mit Gleitgel oder Pflegecremes zu behandeln?

Wir empfehlen stattdessen östriolhaltige Salben oder gegebenenfalls Zäpfchen. Diese Produkte werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen und sind eine wirksame Alternative. Bei akuten Beschwerden raten wir, die östriolhaltigen Salben zu verwenden, die eine Form von Östrogen enthalten, jedoch nicht das Beta-Estradiol, das bei der Hormonersatztherapie als Gel, Spray oder Pflaster auf die Haut aufgetragen wird. Diese spezifische Östrogenform wirkt lokal im Bereich der Schleimhäute und gelangt kaum in den allgemeinen Blutkreislauf. Ich empfehle, die Salbe für drei bis vier Wochen täglich anzuwenden, um zunächst eine spürbare Wirkung zu erzielen.

Es handelt sich also um lokal wirkende Östrogene, die dazu beitragen, die Schleimhäute wieder zu verdicken, die Durchblutung zu fördern und den Blasenverschluss zu verbessern. Auch der natürliche Weißfluss wird wieder angeregt, und die Elastizität der Vaginalhaut nimmt insgesamt zu. Nach einer gewissen Zeit kann die Häufigkeit der Anwendung reduziert werden, beispielsweise auf alle zwei oder drei Tage pro Woche, jedoch ist auch dabei eine dauerhafte Anwendung notwendig.

Die klassische Hormonersatztherapie hat zu wenig Östrogene, als dass sie im Bereich der Schleimhäute wirken. Das heißt, das muss gegebenenfalls zusätzlich behandelt werden. 

Primär neben diesen freiverkäuflichen Produkten haben wir diese östriolhaltigen Salben, die es auch in Form von Zäpfchen gibt. Eigentlich reicht es aus, zunächst den Scheideneingang und die kleinen Schamlippen einzucremen. Die Zäpchen wirken eher im hinteren Scheidenbereich, wenn die Salbe lokal im Scheideneingang aufgetragen, nicht mehr ausreichend wirken sollte.

Wie funktioniert denn die Therapie mit dem Scheidenlaser?

Als zusätzliche Methode, gibt es die Möglichkeit, die Atrophie mit einer Lasertherapie zu behandeln. Das ist ein Verfahren, das  es schon seit ca. 2012 gibt und das auch in Studien gut belegt ist. Bei dieser Methode wird eine Vaginalsonde in die Scheide eingeführt, die mit einem CO₂-Laser ausgestattet ist. Dieser erzeugt winzige, kaum sichtbare Mikroverletzungen, wodurch es sich um ein völlig schmerzfreies Verfahren handelt. Einige Patientinnen empfinden die Behandlung möglicherweise als warm, aber die Sonde hat von den Abmessungen her Ähnlichkeiten mit einem Ultraschallstab, der bei gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen verwendet wird. Der Laser gibt sanft Licht ab und wird schrittweise zurückgezogen, wobei er in die Vaginalhauteindringt und die Gewebeerneuerung und die Durchblutung anregt.

Mit dem Scheidenlaser können auch Symptome der Harninkontinenz verbessert werden. Die gesteigerte Durchblutung führt zu einer erhöhten Kollagenproduktion, wodurch die Vaginalhaut dicker und elastischer wird und die Zellregeneration gefördert wird.

Zusätzlich kann mit einem speziellen Aufsatz auch der äußere Intimbereich behandelt werden, um die Schleimhäute dort ebenfalls zu regenerieren.

Bei der Atrophie kommt es häufig vor, dass sich die kleinen Schamlippen zurückbilden und mit den großen Schamlippen verschmelzen, was ein typisches Symptom darstellt. In solchen Fällen kann man den Scheideneingang gezielt lasern, während der Bereich der Klitoris und des Anus, da sie sehr empfindlich sind, ausgespart werden. Oftmals ist eine Behandlung dieser sensiblen Zonen nicht notwendig.

Diese Laserbehandlungen lassen sich hervorragend mit östriolhaltigen Salben oder Cremes kombinieren, was zu einem maximalen Behandlungseffekt führt. Viele Patientinnen berichten bereits nach der ersten oder zweiten Laserbehandlung von einer spürbaren Verbesserung.

Wie oft muss man diese Laserbehandlung dann machen? Und wird sie von den Krankenkassen übernommen?

Die Empfehlung lautet, bei Auftreten von Beschwerden drei Laserbehandlungen im Abstand von etwa sechs Wochen durchzuführen. In einigen Fällen haben wir jedoch auch Patientinnen erlebt, die nach zwei Anwendungen bereits eine deutliche Verbesserung verspüren und die dritte Anwendung zunächst auslassen. Nach Abschluss der initialen Behandlungen kann eine jährliche Auffrischungsbehandlung mit dem Laser ausreichend sein, um den Behandlungserfolg zu erhalten.

Die Behandlung wird leider nicht von den Kassen übernommen, aber wir hoffen natürlich, dass solche Therapieanwendungen irgendwann übernommen werden. Gerade weil der positive Effekt in zahlreichen Studien belegt ist.. Wir sehen ja auch die individuellen Ergebnisse, auch die Rückmeldungen von Patientinnen. In der privaten Krankenversicherung wird sie teilweise übernommen. 

Ich wünsche mir, dass es ein breiteres Verständnis dafür gibt, dass es ganz natürliche Veränderungen sind, die man aber auch gut behandeln kann. Mit einer Hormonersatztherapie kann die Lebensqualität der Patientin erheblich verbessert werden. Besonders relevant ist dies in Bezug auf das Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Osteoporose, Herzkrankheiten, Herzinfarkte, Schlaganfälle und sogar das Risiko für Demenz. Bei rechtzeitiger Behandlung lässt sich das Risiko für viele dieser Erkrankungen signifikant reduzieren.

Dr. med. Arndt Runge

Zum Ende stelle ich immer unsere Me not Frage: Hast du denn einen Wunsch für Wechseljahre?

Ich erinnere mich gut an meine Zeit als junger Assistenzarzt in der Klinik. Dort gab es eine sehr nette, etwas ältere Krankenschwester, die immer ein Frottiertuch um den Hals trug. Lange dachte ich, dass sie einfach viel schwitzt, weil sie so beschäftigt ist und ständig in Bewegung ist. Erst als ich eines kalten, regnerischen Novembertages selbst das Bedürfnis verspürte, mich warm zu halten, wurde mir klar, dass es einen anderen Grund dafür geben musste. Dieser Moment war für mich ein Schlüsselmoment, der mir die Auswirkungen der Wechseljahre auf das Leben einer Person vor Augen führte.

Es ist möglich, dass sie nicht ausreichend beraten wurde, obwohl sie selbst in einer Frauenklinik arbeitete. Man hätte ihr sicherlich helfen können, ihre Lebensqualität zu verbessern, anstatt dass sie sich ständig mit einem Handtuch um den Hals behelfen musste. Ich glaube, das Wichtigste in den Wechseljahren ist, sich nicht ausbremsen zu lassen. Die Wechseljahre sind kein Grund, sich mit körperlichen Beschwerden oder Einschränkungen abzufinden. Vielmehr sollten Frauen diese Phase proaktiv angehen, Rat und Unterstützung suchen und direkt mit ihrem Gynäkologen sprechen: „Ich habe dieses oder jenes Problem. Was kann ich dagegen tun?“ Deshalb ermutige ich alle Frauen, offen mit ihrem Arzt über ihre Beschwerden zu sprechen und ein individuelles Behandlungskonzept zu entwickeln.

Vielen Dank Arndt für diese spannende Interview!

Mehr Weitere Interviews
Weitere Interviews

Dr. med. Arndt Runge: Hormonersatztherapie, Hitzewallungen und Hoffnung

Dieses Interview lesen