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Interview

Dr. med. Arndt Runge: Hormonersatztherapie, Hitzewallungen und Hoffnung

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Dezember 2024 in HET & alternative Therapien

Artikelbild Dr. med. Arndt Runge: Hormonersatztherapie, Hitzewallungen und Hoffnung

Dr. med. Arndt Runge im Interview zu Hormonersatztherapie

Dr. med. Arndt Runge hat in Berlin und Lübeck studiert und seine medizinische Laufbahn an verschiedenen Kliniken in Norddeutschland begonnen, bevor er seit mehr als zehn Jahren nun in seiner eigenen Praxis tätig ist. Als Allrounder in der Gynäkologie deckt er ein breites Spektrum ab – von Geburtshilfe über allgemeine gynäkologische Betreuung bis hin zu Hormontherapien und Hormonersatztherapie. www.frauenarztpraxis-wandsbek.de

Wie wurde das Thema Wechseljahre in deiner Ausbildung behandelt?

Ich kann mich nicht erinnern, dass das Thema Wechseljahresbeschwerden oder Hormonersatztherapie ein fester Bestandteil meiner Ausbildung war, weder im Studium noch in der Facharztausbildung. Vielleicht gab es in irgendeiner Vorlesung mal einen kurzen Überblick, aber eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich ist definitiv nicht erfolgt. Besonders in der klinischen Praxis hat man wenig über endokrinologische Fragestellungen gelernt, sei es zu Wechseljahren, PMS oder auch zur Verhütung.

Das ist bedauerlich, da diese Themen von großer Relevanz sind, wie wir in der täglichen Praxis sehen. Wie ich bereits erwähnt habe, geht es in der Praxis nicht nur um die Durchführung von Abstrichen und Vorsorgeuntersuchungen, sondern auch um Hormone und Hormontherapien sowie um die Aufklärung der Patientinnen. Eine gute Beratung trägt erheblich dazu bei, dass Frauen ein besseres Verständnis für ihren eigenen Körper entwickeln und sich sicherer im Umgang mit ihren Beschwerden fühlen.

Leider gibt es im Internet viele Fehlinformationen, und es ist wichtig, herauszufiltern, was für die eigene Situation relevant ist. Einen kompetenten Partner an der Seite zu haben, der hilft, die Informationen einzuordnen, ist von unschätzbarem Wert. Viele Erkenntnisse habe ich erst durch den Austausch mit Patientinnen gewonnen, was zeigt, wie wichtig diese Kommunikation ist.

Ist das Thema Hormonersatztherapie in den letzten Jahren wieder aktueller geworden?

Das Thema Hormontherapie wird zunehmend aktueller und stärker nachgefragt. Beschwerden der Wechseljahre gab es zwar schon immer, aber die Wahrnehmung hat sich verändert. Zum einen ist die Thematik heute weniger tabuisiert, und durch mehr Aufklärung, besonders in sozialen Medien, tritt sie stärker in den Fokus. Zum anderen informieren sich Patientinnen aktiv über mögliche Behandlungen, und wir beraten sie gezielt, um die beste Lösung zu finden.

Sind die dann schon gut vorbereitet, wenn sie zu Euch in die Praxis kommen?

Die Patientinnen sind teilweise gut vorbereitet und manchmal würde ich mir wünschen, dass sie besser vorbereitet wären. Einige bringen Informationen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mit. Im Gespräch klären wir dann, wo sie stehen, und ordnen manches neu ein. Wir würden uns mehr Aufklärung wünschen, damit Patientinnen gezielter Fragen stellen, offener mit dem Thema umgehen und dann vielleicht auch eher bereit sind, die ein oder andere Therapieoption anzunehmen.

Vielleicht noch etwas genauer: welche Vorbereitung oder welches Vorwissen würdest Du Dir denn wünschen? Was würde Eure Arbeit leichter machen?

Bei Wechseljahresbeschwerden erleben wir oft eine verbreitete Hormonangst, die auf alten Vorbehalten gegenüber synthetischen Steroiden basiert. Viele Patientinnen empfinden die Entscheidung für oder gegen eine Hormonersatztherapie fast wie die Wahl zwischen „Pest und Cholera“. Das entspricht jedoch längst nicht mehr dem aktuellen Wissensstand: Heute wissen wir, dass hormonelle Unterstützung sehr positive Effekte haben kann. Und deswegen würde ich mir wünschen, dass manche Patientinnen offener wären und den Schritt zu einer solchen Therapie wagen würden.

Dr. med. Arndt Runge im Interview mit Me_not_pause zum Thema Hormonersatztherapie in den Wechseljahren

Dr. med. Arndt Runge im Interview mit Me_not_pause

Also ist es immer noch die Angst vor dem Brustkrebs?

Angst vor Brustkrebs, Thrombosen, Lungenembolien, möglichen Folgeerkrankungen, die weitaus schlimmer sind als das Aushalten von Wechseljahresbeschwerden oder generell durch hormonmangelbedingte Beschwerden oder hormonelle Veränderungen. Es ist einfach immer noch eine generelle Hormonangst im Kontext solcher Therapieoptionen.

Wie geht Ihr mit dieser Angst um?

Ich spreche sehr viel mit den Patientinnen. Ich erkläre ausführlich, hole die Patientin dort ab, wo sie steht, und lasse ihr die Entscheidung offen. Wichtig ist mir, dass sie genug Bedenkzeit hat und sicher ist, welche Therapieoption für sie passt. Dazu gebe ich oft Literaturtipps mit, damit sie sich zu Hause weiter informieren kann. So kann sie bei einem zweiten oder dritten Termin mit fundierten Fragen zurückkommen und wir arbeiten dann gezielt weiter an ihrer Behandlung.

Wir hören immer wieder, dass für ausführliche Beratung sehr wenig Zeit vorhanden ist und die Beratung auch nicht gut abgerechnet werden kann?

Die Abrechnung für eine intensive Beratung kann tatsächlich eine Herausforderung sein. Wenn die Patientin sehr differenzierte Fragen hat und das Gespräch den üblichen zeitlichen Rahmen überschreitet, wäre es sinnvoll, dies in einem separaten Termin zu besprechen. In solchen Fällen könnte man auch in Erwägung ziehen, eine private Abrechnung für diese Beratungsleistung zu vereinbaren.

Es geht dabei keinesfalls darum, den Patientinnen unnötige Kosten aufzuerlegen. Unser Hauptauftrag liegt in der Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen wie Abstrichen, Stuhltests und Ultraschalluntersuchungen. Leider findet der Bereich der Hormonberatung im Abrechnungssystem nicht die Beachtung, die er bräuchte, weshalb wir in solchen Fällen individuelle Lösungen finden müssen.

Es gibt Patientinnen, die klar wissen, welche Untersuchungen sie wünschen, und wir können dies dann unkompliziert abdecken. Falls aber eine Patientin den Wunsch hat, bestimmte Themen noch einmal ausführlich zu besprechen, um sich abzusichern, ist ein zusätzlicher Termin dafür angemessen. Die meisten Patientinnen sind bereit, für diese zusätzliche Beratungsleistung ein bisschen Geld zu zahlen, damit auch der Aufwand für die umfassende Beratung entsprechend honoriert wird.

Für welche Symptome ist denn eine Hormonersatztherapie besonders geeignet? Welche Wechseljahrsbeschwerden bekommt man damit gut in den Griff?

Die Hormonersatztherapie wirkt vor allem bei klassischen Kardinalsymptomen, also bei Hitzewallungen, aufsteigender Wärme, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Diese Beschwerden treten meist ab Mitte 40 auf und sind Folgen des zunehmenden Östrogenmangels. Mit einer Hormontherapie lassen sich diese Symptome oft schon innerhalb von 14 Tagen deutlich lindern.

Darüber hinaus gibt es weitere Beschwerden, die mit den Wechseljahren einhergehen, wie selten Herzrhythmusstörungen oder Gelenkbeschwerden, vor allem in den kleinen Gelenken. Mit einer gezielten Hormontherapie und der passenden Beratung können wir häufig schnell zu Beschwerdefreiheit oder zumindest spürbarer Besserung beitragen.

Die Hormonersatztherapie wirkt vor allem bei klassischen Kardinalsymptomen, also bei Hitzewallungen, aufsteigender Wärme, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Diese Beschwerden treten meist ab Mitte 40 auf und sind Folgen des zunehmenden Östrogenmangels. Mit einer Hormontherapie lassen sich diese Symptome oft schon innerhalb von 14 Tagen deutlich lindern.

Dr.  med. Arndt Runge
Dr. med. Arndt Runge

Das ist dann meist die Kombination aus Östrogen und Progesteron?

Wir setzen zunehmend auf bioidentische Hormontherapie, da diese dem natürlichen Hormonprofil des Körpers entspricht. Das bedeutet, dass der Körper eigentlich überhaupt gar nicht merkt, ob die Östrogene und Gelbkörperhormone aus den Eierstöcken stammen oder extern zugeführt werden. Dies erlaubt es uns auch, die Hormonspiegel im Labor genau zu messen und die Dosierung individuell anzupassen.

Deswegen versuchen wir mit Östrogen und Gelbkörperhormonen naturidentisch oder bioidentisch zu arbeiten, sodass überhaupt keine wirklichen Risiken für die Patientin entstehen. Östrogen ist entscheidend zur Linderung der typischen Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen. Das Gelbkörperhormon wirkt besonders bei den Schlafstörungen unterstützend und muss, besonders wenn die Gebärmutter noch vorhanden ist, auf jeden Fall dazugegeben werden . Ohne Gebärmutter kann man es sogar weglassen und nur ganz elegant das Östradiol, was der Patientin zunehmend fehlt, in Form eines Gels, eines Sprays oder eines Pflasters geben. Sodass diese Präparate auch gar nicht oral zugeführt werden müssen, sondern über die Haut aufgenommen werden.

Du hast gesagt, dass die synthetischen Hormonpräparate aus den Nuller Jahren langsam verschwinden. Werden sie denn immer noch eingesetzt?

In meiner Praxis setze ich nahezu ausschließlich auf bioidentische Hormontherapie. In sehr seltenen Fällen, etwa bei Unverträglichkeiten oder Hautreaktionen, greifen wir ausnahmsweise auf eine klassische, niedrig dosierte Pille zurück, um die Therapie möglichst schonend zu gestalten.

Mit bioidentischen Hormonen erleben wir deutlich weniger Nebenwirkungen und eine präzisere Einstellung als mit den klassischen synthetischen Steroiden. Zudem bieten sie große Flexibilität: Östrogen kann z.B. als Pflaster, Gel oder Spray über die Haut verabreicht werden, und auch das Gelbkörperhormon lässt sich variabel dosieren und kann oral oder vaginal angewendet werden. Diese Anpassungsmöglichkeiten fehlen bei klassischen Präparaten, die in starrer Tablettenform verabreicht werden.

Mit bioidentischer Hormontherapie können wir die Dosis präzise an das Wohlbefinden der Patientinnen anpassen. Die Patientin kann selbst entscheiden, was für sie am besten passt — zum Beispiel mit zwei Hüben Gel, die ihr helfen, sich wieder wie früher zu fühlen. So lässt sich der individuelle Bedarf flexibel austarieren.

Diese Anpassungsmöglichkeit ist besonders wertvoll, da sie auf persönliche Schwankungen eingeht: An grauen, trüben Tagen, wenn die Stimmung vielleicht gedrückt ist, kann der Patient die Dosis leicht erhöhen. Im Urlaub unter Sonne und blauem Himmel, wenn das Wohlbefinden ohnehin hoch ist, reicht oft weniger. Diese Flexibilität bietet uns eine bioidentische Therapie, während klassische Präparate solche feinen Anpassungen kaum ermöglichen.

Wie genau fängst du an, wenn Du eine Frau mit Wechseljahrsbeschwerden hast in deiner Sprechstunde? Fängst du mit dem Hormonstatus?

In meiner Praxis passe ich die Vorgehensweise immer an die individuelle Situation an. Ein typisches Beispiel wäre eine 53-jährige Patientin mit klassischen Wechseljahrsymptomen wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Ihre Menstruation ist unregelmäßig geworden, die Abstände sind länger geworden. Diese Anzeichen deuten eindeutig darauf hin, dass die Patientin sich in den Wechseljahren befindet.

Um sicherzugehen und der Patientin Klarheit zu verschaffen, kann man eine Hormonanalyse durchführen. In vielen Fällen ist das jedoch nicht unbedingt nötig, da die Symptome oft eindeutig auf die Wechseljahre hinweisen und ich somit eine Hormonersatztherapie anbieten kann. 

Für Patientinnen, die regelmäßig ihre Periode haben, jedoch ebenfalls unter Hitzewallungen und Schlafstörungen leiden, stellt sich die Frage, ob diese Beschwerden tatsächlich durch die Wechseljahre oder eher durch Stress verursacht sind. Hier hilft ein differenziertes Gespräch, um die Ursachen abzuklären.

Wenn man einen Hormonstatus erhebt und sieht, dass die Östrogene bereits im hohen Bereich sind (z. B. bei 300-400 pg/ml), könnte eine zusätzliche Hormongabe den Zyklus eher durcheinanderbringen. Daher berücksichtigen wir stets das Alter und die individuelle Situation der Patientin. Wenn die Patientin nach ausführlicher Beratung die Therapie wünscht, können wir gezielt mit einer bioidentischen Hormontherapie starten – entweder mit oder ohne vorherige Hormonanalyse, je nach Bedarf.

Ich bevorzuge persönlich das Gel, da es von den meisten Patientinnen gut angenommen und vertragen wird. Wenn jedoch jemand lieber ein Spray oder ein Pflaster verwenden möchte, bieten wir auch diese Optionen an. Falls die Gebärmutter noch vorhanden ist, kombinieren wir die Therapie dann mit einem Gelbkörperhormon in Form von mikronisiertem Progesteron.

Beim Gel beginnen wir in der Regel mit einer Standarddosis von zwei Hüben. Diese Dosis sorgt dafür, dass der Östradiolspiegel im Blut nicht zu hoch ansteigt, aber häufig schon innerhalb von 14 Tagen eine deutliche Linderung der typischen Wechseljahrsymptome erreicht wird. Nach sechs bis acht Wochen kontrollieren wir gemeinsam, ob die Dosis angepasst werden muss – etwa, wenn die Patientin zwar beschwerdefrei ist, aber Brustschmerzen verspürt, was auf einen leicht zu hohen Östrogenspiegel hindeuten könnte.

Eine ergänzende Hormonanalyse im Blut ist optional. Wenn die Patientin mit der Dosis zufrieden ist und keine auffälligen Symptome hat, ist diese Analyse meist nicht nötig. Allerdings übernehmen die Krankenkassen die Kosten für diese Untersuchung nicht, sodass die Patientin entscheiden kann, ob sie dafür zusätzlich investieren möchte.

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Übernehmen denn die Krankenkassen den Bluttest?

Bei Erstuntersuchungen zur Abklärung von Beschwerden übernehmen die Krankenkassen die Kosten in der Regel. Für regelmäßige, individualisierte Verlaufskontrollen jedoch, die viele Patientinnen wünschen, müssen die Kosten meist selbst getragen werden.

Es wird häufig von diesem “Window of Opportunity” gesprochen. Wann ist denn ein guter Zeitpunkt, mit einer Hormonersatztherapie anzufangen bzw. wann ist es zu spät?

Das „Window of Opportunity“ beschreibt den optimalen Zeitpunkt, um eine Hormonersatztherapie zu beginnen. Idealerweise beobachtet die Patientin ihre Beschwerden eine Zeit lang, hat vielleicht einige pflanzliche Mittel ausprobiert, und kommt dann in die Praxis, um individuell über eine Hormonersatztherapie zu sprechen.

Es gibt jedoch auch Patientinnen, die sehr leidensfähig sind und sich sehr lange damit herumschlagen und erst spät ärztlichen Rat suchen. In solchen Fällen gilt die Empfehlung, dass die Hormonersatztherapie vor dem 60. Lebensjahr oder spätestens zehn Jahre nach der Menopause, also nach der letzten von den Eierstöcken gesteuerten Regelblutung, begonnen werden soll.

Der Grund: Auch jenseits der 60 kann die Hormontherapie Symptome lindern und das Wohlbefinden steigern. Doch die zusätzlichen schützenden Effekte der Therapie – insbesondere für Herz und Knochen – wirken am besten, wenn die Therapie nahtlos nach Beginn des Hormonmangels startet und keine lange Pause besteht.

Was machen Sie mit einer Patientin, die z.B. 60 Jahre als ist und eine Hormontherapie rein aus präventiven Gründen machen möchte?

Ich habe durchaus auch Patientinnen über 60, mit denen ich individuell eine Hormonersatztherapie bespreche und gegebenenfalls verordne. Bei Themen wie Osteoporose und Knochendichte vergleiche ich den Knochen oft mit einem Sparkonto: In jungen Jahren ist das „Konto“ gut gefüllt, der Knochen ist stark und fest. Doch im Alter lässt sich kein weiteres „Guthaben“ aufbauen – man kann nur noch von den vorhandenen Reserven zehren.

Die entscheidende Frage ist, ob diese Reserven langsam oder schnell abgebaut werden. Wenn eine Hormonersatztherapie bereits um die 50 beginnt, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Knochen noch stabil sind, profitieren Patientinnen langfristig davon. Für eine 60-jährige Patientin mit bereits fortgeschrittener Osteoporose kann die Therapie hingegen vor allem den weiteren Knochenabbau verlangsamen, aber nicht den Knochen wieder dicker machen. 

Daher ist ein frühzeitiger Beginn einer Hormonersatztherapie besonders wichtig – vor allem, wenn ein hohes Osteoporoserisiko in der Familie bekannt ist. In solchen Fällen hat die Hormonersatztherapie eine stark schützende Wirkung, von der die Patientin besonders profitiert, wenn sie damit früh beginnt.

Zwar ist ein Beginn auch ab 60 noch möglich, und gerade für Patientinnen, die gerade erst 60 geworden sind und sich erstmals mit dem Thema auseinandersetzen, sollte diese Option offen bleiben. Doch es ist wichtig, im individuellen Gespräch zu klären, welchen Nutzen die Therapie in diesem Alter noch bietet.

Wie lange sollte eine Frau die Hormone nehmen bzw. wie bestimmt ihr, dass aufgehört werden soll?

Letztlich entscheidet die Patientin selbst, wann sie die Hormontherapie beenden möchte. Häufig haben wir Patientinnen, die nach einem Jahr oder anderthalb Jahren plötzlich berichten, dass sie die Hormone abgesetzt haben und sich gut fühlen. In solchen Fällen sage ich natürlich: „Perfekt, das ist wunderbar!“

In Deutschland liegt das Durchschnittsalter für den Beginn der Wechseljahre statistisch bei 50,5 Jahren, und die typischen Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche dauern statistisch im Schnitt etwa 7,4 Jahre an.

Eine Hormonersatztherapie kann zunächst problemlos über drei bis sechs Jahre erfolgen. Wenn die Patientin dann irgendwann keine Lust mehr hat, regelmäßig Rezepte zu holen oder die tägliche Creme und abendliche Tablette einzunehmen, empfehle ich, die Dosis schrittweise zu reduzieren. Ein abruptes Absetzen führt oft dazu, dass die Beschwerden schneller wieder auftreten.

Wenn eine Patientin die Dosis reduziert und es geht ihr dann nicht mehr gut, dann brauchen wir auch gar keine Laborkontrollen. Dann ist die Patientin nicht in ihrem Wohlfühlbereich und dann macht sie eben erst mal wieder weiter für ein, zwei Jahre. Und das ist eben gerade der Vorteil im Vergleich zu diesen klassischen Standardtherapien von früher, dass die Patientinnen das individuell dosieren können, gerade so viel wie sie brauchen.

Bei Patientinnen, die Anfang oder Mitte 60 sind, empfehlen wir oft, die Hormontherapie langsam auszuschleichen, um zu prüfen, ob sie noch wirklich notwendig ist. Häufig wird die Einnahme zur Routine, und manchmal braucht es einen kleinen Anstoß, um auszuprobieren, ob ein Absetzen möglich ist. Andernfalls würden manche die Hormone vermutlich bis ins hohe Alter weiternehmen.

Gerade der Perimenopause, wo Themen wie Schlafstörungen, Angstzustände und depressive Verstimmungen ein Thema sind, empfiehlst du da auch Progesteron alleine?

Ich verschreibe Progesteron sehr gerne und es hilft auch sehr gut – vor allem bei psychischer Anspannung und Schlafstörungen, die häufig in der zweiten Zyklushälfte auftreten. In der ersten Zyklushälfte, wenn der Östrogenspiegel hoch ist, fühlen sich viele Patientinnen wohl. Doch ab dem Eisprung, den einige Patientinnen sogar deutlich spüren, verschlechtert sich das Befinden oft allmählich bis zur Regelblutung, die dann oft als Erleichterung empfunden wird. Dieses Muster deutet auf einen relativen Progesteronmangel hin.

Die Messung des Progesteronspiegels im Blut ist oft nicht sehr aussagekräftig, da dieser unter tageszeitlichen Schwankungen leidet. Es kann durchaus vorkommen, dass der Progesteronwert zum Zeitpunkt der Blutentnahme relativ hoch ist, was den Eindruck erweckt, dass die Patientin keine zusätzlichen Hormone benötigt. In solchen Fällen könnte es sinnvoll sein, mikronisiertes Progesteron, beispielsweise in einer Dosis von 100 mg, abends zur Unterstützung des Schlafs zu verordnen. Die Patientin hat die Möglichkeit, das Präparat entweder oral einzunehmen oder vaginal einzuführen. Die Resorptionsrate ist dabei unabhängig davon, ob die Einnahme über die Vaginalschleimhaut oder den Magen-Darm-Trakt erfolgt. Die Patientin nimmt das Progesteron abends zum Schlafen, weil es zu einem guten Schlaf verhilft und nicht abhängig macht.  

Ansonsten, was wären Alternativen dazu? Wir haben pflanzliche Präparate, die aber lange nicht so gut wirken und so effektiv sind. Dann gibt es noch Empfehlungen für Antidepressiva, aber da sagen natürlich auch zu Recht viele Patientinnen, dass es so schlimm auch nicht ist.  

Und deswegen ist das mit diesem mikronisierten Progesteron eine ganz elegante Sache. Wir brauchen gar keine wirkliche Risikoaufklärung dafür zu machen. Und der Körper merkt eben, wie ich vorhin schon gesagt habe, gar keinen Unterschied, ob das Progesteron jetzt aus den Eierstöcken oder von extern kommt. Deswegen ist das eine ganz elegante Sache, gerade in der Perimenopause, um solche Probleme in den Griff zu bekommen. Wenn die Regelblutung beginnt, kann die Patientin mit dem Präparat aufhören. Dann beginnt ja wieder die gute erste Zyklushälfte.

Und in der Postmenopause, wenn es keine zweite Zyklushälfte gibt, dann wird Progesteron durchgenommen?

Wenn die Regelblutungen wirklich irgendwann ausbleiben, dann nehmen die Patientinnen Progesteron ganz natürlich durch, sodass wir ganz gleichmäßige Spiegel haben. Dann gibt es dazu nochmal ein Östrogen Gel Spray oder Pflaster, um dann auch ausreichend Östrogene zu substituieren..

Wenn eine Patientin keine Hormonersatztherapie machen möchte, was sind denn mögliche pflanzliche Alternativen?

Wir empfehlen pflanzliche Präparate von verschiedenen Herstellern. Dabei möchte ich jedoch betonen, dass ich keine speziellen Marken nennen möchte. Es gibt eine breite Palette an Produkten, die sowohl im freien Verkauf als auch online erhältlich sind. Allerdings sollte man Folgendes im Hinterkopf behalten: Die Wirkung pflanzlicher oder homöopathischer Therapien im Vergleich zu einer Hormontherapie ist in der Regel nicht so ausgeprägt und oft zeitlich begrenzt.

Der Wirkungseintritt solcher pflanzlichen Therapien dauert normalerweise etwa sechs bis acht Wochen. Während sie häufig die Symptome ein wenig lindern können, erlebe ich in meiner Praxis oft, dass die Patientinnen letztendlich zurückkehren und berichten, dass die Linderung nicht ausgereicht hat.

Bei milden Wechseljahresbeschwerden kann es vorkommen, dass die Patientinnen mit pflanzlichen Therapien eine Besserung erfahren und dann sagen, sie möchten keine Hormone mehr nehmen, da das pflanzliche Produkt für sie gut funktioniert. In solchen Fällen ist es völlig in Ordnung, das Präparat nach Bedarf einzunehmen oder sogar abzusetzen, wenn es nicht mehr benötigt wird.

Die Wirkung pflanzlicher oder homöopathischer Therapien im Vergleich zu einer Hormontherapie ist in der Regel nicht so ausgeprägt und oft zeitlich begrenzt.

Dr. med. Arndt Runge
Dr. med. Arndt Runge

Der Wirkungseintritt solcher pflanzlichen Therapien dauert normalerweise etwa sechs bis acht Wochen. Während sie häufig die Symptome ein wenig lindern können, erlebe ich in meiner Praxis oft, dass die Patientinnen letztendlich zurückkehren und berichten, dass die Linderung nicht ausgereicht hat.

Bei milden Wechseljahresbeschwerden kann es vorkommen, dass die Patientinnen mit pflanzlichen Therapien eine Besserung erfahren und dann sagen, sie möchten keine Hormone mehr nehmen, da das pflanzliche Produkt für sie gut funktioniert. In solchen Fällen ist es völlig in Ordnung, das Präparat nach Bedarf einzunehmen oder sogar abzusetzen, wenn es nicht mehr benötigt wird.

Die Wechseljahre stellen eine Phase des Hormonmangels dar, insbesondere einen Östrogenmangel. Selbst wenn pflanzliche Präparate wie solche mit Phytoöstrogenen, zum Beispiel aus Rotklee oder Sojaextrakt, verwendet werden, können sie nicht den gleichen Nutzen bieten, den viele Patientinnen suchen, um in ihre Komfortzone zurückzukehren.

Zum Ende stelle ich immer unsere Me not Frage: Hast du denn einen Wunsch für Wechseljahre?

Ich erinnere mich gut an meine Zeit als junger Assistenzarzt in der Klinik. Dort gab es eine sehr nette, etwas ältere Krankenschwester, die immer ein Frottiertuch um den Hals trug. Lange dachte ich, dass sie einfach viel schwitzt, weil sie so beschäftigt ist und ständig in Bewegung ist. Erst als ich eines kalten, regnerischen Novembertages selbst das Bedürfnis verspürte, mich warm zu halten, wurde mir klar, dass es einen anderen Grund dafür geben musste. Dieser Moment war für mich ein Schlüsselmoment, der mir die Auswirkungen der Wechseljahre auf das Leben einer Person vor Augen führte.

Es ist möglich, dass sie nicht ausreichend beraten wurde, obwohl sie selbst in einer Frauenklinik arbeitete. Man hätte ihr sicherlich helfen können, ihre Lebensqualität zu verbessern, anstatt dass sie sich ständig mit einem Handtuch um den Hals behelfen musste. Ich glaube, das Wichtigste in den Wechseljahren ist, sich nicht ausbremsen zu lassen. Die Wechseljahre sind kein Grund, sich mit körperlichen Beschwerden oder Einschränkungen abzufinden. Vielmehr sollten Frauen diese Phase proaktiv angehen, Rat und Unterstützung suchen und direkt mit ihrem Gynäkologen sprechen: „Ich habe dieses oder jenes Problem. Was kann ich dagegen tun?“ Deshalb ermutige ich alle Frauen, offen mit ihrem Arzt über ihre Beschwerden zu sprechen und ein individuelles Behandlungskonzept zu entwickeln.

Ich wünsche mir, dass es ein breiteres Verständnis dafür gibt, dass es ganz natürliche Veränderungen sind, die man aber auch gut behandeln kann. Mit einer Hormonersatztherapie kann die Lebensqualität der Patientin erheblich verbessert werden. Besonders relevant ist dies in Bezug auf das Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Osteoporose, Herzkrankheiten, Herzinfarkte, Schlaganfälle und sogar das Risiko für Demenz. Bei rechtzeitiger Behandlung lässt sich das Risiko für viele dieser Erkrankungen signifikant reduzieren.

Dr. med. Arndt Runge
Dr. med. Arndt Runge

Vielen Dank Arndt für diese spannende Interview!

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