Hormoncoach Birthe Boeckel: Hormone als Schlüssel zu einem großartigen Leben
Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im November 2024
Hormoncoach Birthe Boeckel
Wir sprechen mit Birthe Boeckel, einer Hormon- und Nährstoffberaterin sowie Heilpraktikerin mit eigener Praxis in Berlin-Mitte. Birthe hat durch ihre Arbeit in einer Kreuzberger Arztpraxis tiefgehende medizinische Erfahrungen gesammelt und sich intensiv mit dem Thema Hormone beschäftigt, bevor sie eine Ausbildung zum Hormoncoach bei der renommierten Hormonspezialistin Marianne Krug gemacht hat. Birthe setzt auf eine praxisnahe und leicht verständliche Beratung, die gerade Frauen einen unkomplizierten Zugang zur Hormon- und Nährstoffberatung ermöglichen soll.
Was genau machst du als Hormoncoach?
Wie der Name schon sagt, berate ich Frauen in hormonellen Fragen, insbesondere bei den Veränderungen, die in den Wechseljahren auftreten. Die Beratung ist immer individuell: Gemeinsam entscheiden wir, welche Tests sinnvoll sind, abhängig von der jeweiligen Lebensphase, den Symptomen und weiteren Faktoren. Dabei berücksichtigen wir neben den Hormonen oft auch Nährstoffe und Schilddrüse, wenn es notwendig erscheint. Anschließend analysiere ich die Ergebnisse, und in einem zweiten Gespräch besprechen wir die wichtigsten Ansatzpunkte, um gezielt an den größten 'Baustellen' zu arbeiten. Ziel ist es, nach und nach ein Gleichgewicht herzustellen, aber das erfordert auch Engagement von der Frau selbst. Mir ist es wichtig, dass sie lernt, sich selbst gut kennenzulernen, denn je besser sie das tut, desto wirkungsvoller ist unsere Arbeit.
Wie kann sich eine Frau denn besser kennenlernen?
Ein wunderbares, aber leider selten genutztes Mittel zur Hormonbeobachtung ist die Temperaturmessung. Sie liefert oft mehr Informationen als ein einmaliger Laborwert. Zum Beispiel kann ich Progesteron zwar im Blut messen, aber ohne den Kontext früherer Werte bleibt oft unklar, ob die Frau generell hohe oder niedrige Werte hat. Wiederholte Messungen wären nötig, um ein vollständigeres Bild zu bekommen. Die Temperaturkurve hingegen erlaubt mir meist, sehr präzise Aussagen über den Zyklus zu treffen.
Viele Frauen kommen bereits mit längeren Beschwerden, oft begleitet von Symptomen, die sie aufzeichnen – ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wann und wie Beschwerden auftreten. Zusätzlich ist es hilfreich, über die Ernährungsgewohnheiten und die Familiengeschichte nachzudenken. Wenn z.B. die Mutter früh in die Wechseljahre kam oder eine Schilddrüsenproblematik hatte, kann das ein Anhaltspunkt sein, den man mal im Kopf behalten kann. Es geht darum, individuelle Muster zu erkennen und in den Kontext zu setzen, ohne starren Vorgaben zu folgen.
Man kann sich Hormone wie den Dirigenten eines Orchesters vorstellen: Wenn einzelne Instrumente fehlen, klingt das Stück zwar noch, aber ohne den Dirigenten herrscht Chaos. Ähnlich ist es mit einem Hormonabfall, wie er in den Wechseljahren häufig auftritt.
Du verfolgst also einen klar ganzheitlichen Ansatz, der darauf abzielt, wie Hormone den gesamten Körper beeinflussen und entsprechend eine umfassende Lösung zu finden?
Ich sehe Hormone als die Taktgeber unseres Körpers – obwohl sie klein sind, haben sie enormen Einfluss. Jede Zelle besitzt Hormonrezeptoren, und Hormone zum Beispiel wie das Östroge wirkt auf allen Schleimhäuten: von den Augen über den Mund bis hin zu Darm und Blase. Daher ist es oft schwierig für Frauen, Wechseljahresbeschwerden zu erkennen, weil viele Symptome nicht direkt mit Hormonen in Verbindung gebracht werden.
Man kann sich Hormone wie den Dirigenten eines Orchesters vorstellen: Wenn einzelne Instrumente fehlen, klingt das Stück zwar noch, aber ohne den Dirigenten herrscht Chaos. Ähnlich ist es mit einem Hormonabfall, wie er in den Wechseljahren häufig auftritt. Manche Frauen spüren plötzlich starke Veränderungen – ein Zyklus ist normal, im nächsten Monat sind die Hormone deutlich reduziert. Diese starken Schwankungen lösen oft merkliche Beschwerden aus.
Leider wird das oft unterschätzt. Früher galten nur Hitzewallungen als Wechseljahresbeschwerden und Frauen, die das nicht hatten, dachten, sie seien beschwerdefrei. Heute wissen wir mehr: Für eine nachhaltige Balance ist es wichtig, zuerst die Hormone zu stabilisieren und dann auf Nährstoffe wie Vitamin D und B-Vitamine zu achten. Wenn die Hormone völlig aus dem Gleichgewicht sind, bemerkt die Frau Verbesserungen bei Nährstoffen oft kaum – die Hormone überlagern alles. Daher ist es entscheidend, hier anzusetzen, um echte Entlastung zu schaffen.
Diagnostik: Welche Tests setzt du ein, und wie gehst du dabei vor?
Ich sehe es so: Keine Frau kann etwas für ihre Wechseljahre und Tests sind teuer – leider übernimmt die Krankenkasse diese Kosten oft nicht. Idealerweise würde ich gern alles testen, denn je mehr ich weiß, desto präziser kann ich beraten. Aber auch Frauen mit kleinerem Budget sollen die Möglichkeit haben, wichtige Werte überprüfen zu lassen.
Zu den Basiswerten gehören für mich Östrogen und Testosteron, da diese zentral für die Behandlung sind. Progesteron kann ich auch testen, aber wie gesagt, das Ergebnis schwankt je nach Zyklusphase und sagt oft nur wenig über den gesamten Verlauf aus. Trotzdem möchten viele Frauen es schwarz auf weiß sehen, sie wollen den Beweis: Da fehlt wirklich etwas. Das zu sehen, hat oft eine große emotionale Wirkung.
Daher empfehle ich, Östrogene zu testen, Progesteron jedoch nur nach Bedarf. Jede Frau, die es sehen möchte, hat natürlich das Recht dazu, aber bei Östrogen ist es oft wichtiger, den Spiegel zu kontrollieren, um den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln. Zur Orientierung: Ein Östrogenwert von 300 in der Zyklusmitte ist ein häufig beobachteter Wert - mit einem Hub Gynokadin- oder Estreva-Gel lässt sich der Östrogenspiegel In der Regel nur um etwa 15 bis 20 Punkte steigern – mehr nicht.
Bei Progesteron ist der Effekt noch geringer: 100 mg Progesteron erhöhen den Blutwert nur leicht, zwischen 1,5 und 3 - bei normalen Werten in der 2. Zyklushäfte von bis zu 20 ist das nicht viel. Aber die Wirkung entfaltet sich optimal im Gehirn, wo wir es auch besonders brauchen.
Bei Nährstoffen prüfe ich bevorzugt Werte wie Vitamin D, Magnesium, B-Vitamine und Selen, die essentiell für Energie und Stoffwechsel sind – vor allem, wenn die Schilddrüse beeinträchtigt ist. Ich versuche, das eigentlich so individuell wie die einzelne Frau zu machen.
Sind das dann Bluttest oder testest du im Speichel?
Früher habe ich häufiger Speicheltests gemacht, jetzt arbeite ich aber vorwiegend mit Bluttests, weil diese meiner Meinung nach weniger Schwankungen aufweisen. Einen Speicheltest ergänze ich nur, wenn die Blutwerte nicht zu den Symptomen passen. Speichel zeigt die freien, verfügbaren Hormone, während das Blut auch die gebundenen Hormone misst. Da Speicheltests oft durch Tagesrhythmus und andere Faktoren stark variieren, können die Ergebnisse ungenau sein. Dennoch nutze ich sie als Ergänzung, wenn sie hilfreich sind, und bin auch offen für Patientinnen, die Speichel bevorzugen. Letztlich bietet der Bluttest den Vorteil, dass ich auch Nährstoffe damit prüfen kann.
Was sind denn die typischen Nährstoffmängel, die man quasi fast schon ohne Diagnostik herausfinden kann?
Die meisten Frauen kommen wegen chronischem Stress und Energieverlust - das ist übrigens auch bei Männern so. Sie fühlen sich oft müde, lustlos und energielos. Alles Symptome, die häufig mit einem Mangel an B- und D-Vitaminen in Verbindung stehen. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass die meisten Menschen unzureichend mit Vitamin D versorgt sind, und das kann ich auch aus meiner Praxis bestätigen.
Wenn ich nicht testen möchte, würde ich neben Vitamin D, die B-Vitamine sowie Mineralstoffe in einem kleinen Komplex wie Jod, Selen, Kupfer und Zink supplementieren. Interessanterweise hat etwa jeder Dritte, den ich teste, einen Zinkmangel. Die Menschen, die zu mir kommen, ernähren sich ja meistens extrem gesund und trotzdem haben sie ganz häufig diese Mangelzustände.
Supplements sind ja keine Medikamente, sondern essentielle Stoffe, die der Körper braucht. Die Angst vor Überdosierungen sehe ich nicht – bis jetzt hatte niemand in meinen Tests einen problematischen Wert. Wer nicht testen will, sollte auf einen guten B-Komplex und ausreichend Vitamin D achten, idealerweise auch über 2.000 Einheiten täglich. Über längere Zeiträume kann ein Test dann Klarheit bringen, aber die Dosis in diesem Bereich ist gut für den Körper und schützt vor vielen Krankheiten.
Du empfiehlst also zu supplementieren oder andersrum, wie viel kann auch durch eine Ernährungsumstellung erreicht werden?
Ernährung allein reicht oft nicht aus, um optimale Nährstoffwerte zu erreichen – das sehe ich täglich in den Blutbildern meiner Patientinnen. Selbst Frauen, die sich sehr gesund ernähren, schaffen es selten, in allen Bereichen hohe Werte zu erreichen, besonders in das obere Drittel der Referenzbereiche, wo sie optimal wären. Das ist kein sofortiges Problem, zeigt sich aber oft über die Jahre.
Durch die heutige Umweltbelastung und die ausgelaugten Böden benötigen wir oft höhere Mengen an Nährstoffen als früher. Zum Beispiel enthalten moderne Böden viel weniger Magnesium als noch vor 100 Jahren. Als wir 1920 das Gemüse vom Acker gegessen haben, dann waren da noch 700 mg Magnesium am Tag drin, heute sind noch 100 mg übrig. Dieser Mangel kann schwerwiegende Auswirkungen haben, weshalb eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen so wichtig ist. Es ist nicht schädlich, täglich einen B-Komplex oder einen Mineralstoffkomplex einzunehmen, der wichtige Stoffe wie Jod und Selen enthält, da die meisten dieser Stoffe wasserlöslich sind und der Körper Überschüsse einfach ausscheidet.
Prävention sollte im Fokus stehen – wir werden immer älter, doch die Gesundheit im Alter bleibt eine Herausforderung. Viele chronische Erkrankungen könnten auch auf langjährige Mängel zurückzuführen sein, oft verstärkt durch Stress und Umweltfaktoren.
Also ja, ich persönlich glaube nicht, dass es nur über die Ernährung geht.
Prävention sollte im Fokus stehen – wir werden immer älter, doch die Gesundheit im Alter bleibt eine Herausforderung. Viele chronische Erkrankungen könnten auch auf langjährige Mängel zurückzuführen sein, oft verstärkt durch Stress und Umweltfaktoren.
Stress ist ja auch immer ein Thema in den Wechseljahren, da Stress besonders stark auf die Hormone wirkt. Kannst du dazu etwas sagen?
Ich denke, unser Stresspegel ist nicht unbedingt höher als mit Anfang 30 , aber in den Wechseljahren kommt körperlicher Stress hinzu, weil der Hormonmangel den Körper belastet. Frauen können oft lange Zeit hohe Belastungen wegstecken, insbesondere wenn sie ihre Energie in Karriere und Lebensaufgaben investieren – das zehrt jedoch irgendwann aus.
Das Hormon DHEA spielt hier eine wichtige Rolle: es wird wie Cortisol hauptsächlich in der Nebenniere produziert.. Mit der Zeit bei anhaltendem Stress erschöpft sich aber die Produktion., das Cortisol kann zwar lange hoch bleiben, aber irgendwann sinken Cortisol und DHEA-Spiegel – was Frauen müde und ausgelaugt macht. Diese dauerhafte Cortisolbelastung kann auch verhindern, dass Frauen Gewicht verlieren, selbst wenn sie sehr wenig essen. Cortisol blockiert die Fettverbrennung, sodass trotz Unterstützung von Schilddrüse und Hormonen kein Gewichtsverlust möglich ist, solange der Körper im Stressmodus bleibt.
Es ist wichtig, gezielte Momente der Ruhe zu schaffen. In einem Workshop zum Thema Wechseljahre kam der Gedanke auf, dass das „Kümmerhormon“ Östrogen uns an vielen Stellen zum Sorgen und Kümmern antreibt. Doch gerade in dieser Lebensphase sollten wir lernen, diesen Impuls zu reflektieren und Raum für unsere eigenen Bedürfnisse zu schaffen.
Die hormonellen Veränderungen öffnen Raum für mehr Abgrenzung und Selbstbewusstsein. und es fällt oft leichter, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und klare Entscheidungen zu treffen.
Der Rückgang des Östrogens in den Wechseljahren kann uns anfangs verunsichern, weil wir die fürsorgliche Rolle, die das Hormon unterstützt hat, gewohnt sind. Doch gerade dieser Wandel gibt uns die Chance, weniger für andere und mehr für uns selbst da zu sein. Es wird spannend, wenn Frauen nicht nur ihre Hormone ausgleichen oder auf Nährstoffe achten, sondern diese Phase bewusst nutzen, um sich selbst neu zu entdecken: Wer bin ich wirklich, und was will ich für mich?
In anderen Kulturen beschreibt man diesen Lebensabschnitt als eine neue Phase, die uns erlaubt, loszulassen und zu uns selbst zu finden. Sobald die „rote Phase“ – die fruchtbare Zeit – endet, beginnt eine „schwarze Phase“ der Selbstfindung. Hier bietet sich die Möglichkeit, authentisch zu sein, für sich einzustehen und gelassener zu werden.
Wann empfiehlst du denn Progesteron?
Also Frauen, die in eine Östrogendominanz rutschen, brauchen dann einfach mehr Progesteron. Viele Frauen profitieren enorm davon, abends eine geringe Dosis Progesteron (z.B. 100 mg) oral einzunehmen. Das verbessert oft den Schlaf, der für das allgemeine Wohlbefinden essenziell ist, sowie Ängstlichkeit und Gereiztheit. Da Schlafmangel häufig der Hauptgrund für Besuche bei mir ist, steht eine gute Schlafqualität ganz oben. Progesteron ist für viele Frauen ein Game Changer und wird selten freiwillig abgesetzt – ich kenne einige Frauen, die einen Umweg von 300 km machen würden, wenn sie es zuhause vergessen haben.
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Warum gibt es eigentlich für Frauen kein Testosteron Gel?
Das ist eine sehr berechtigte Frage. Östrogene sind schon länger im Fokus, und ihre Substitution hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich freue mich, dass auch Progesteron mittlerweile genauso wichtig geworden ist und zunehmend anerkannt wird. Es ist klar, dass die richtige Balance zwischen beiden Hormonen entscheidend ist. Testosteron ist vermutlich das nächste Hormon, das mehr Beachtung finden wird. Ich hoffe, es gibt bald Präparate, die für Frauen zugänglich sind und die auch von der Krankenkasse übernommen werden. Es ist nicht fair, dass Frauen für Testosteronbehandlungen aus eigener Tasche zahlen müssen – eine individuell angefertigte Testosteron-Creme kostet schnell 40 bis 50 Euro im Monat, was sich nicht jeder leisten kann. Das sollte eigentlich eine Kassenleistung sein.
Als Heilpraktikerin kannst du keine Hormonersatztherapie verschreiben. Wie läuft das denn dann? Wie kommen die Frauen an die Hormone?
Wir machen ein ausführliches Gespräch und schauen, welche Themen die Frauen mitbringen. Häufig teste ich dann einige Werte und berate die Frauen umfangreich. Je nach Ergebnisse empfehle ich dann, entsprechende Hormone und Nährstoffe zu ergänzen. Mit dieser Empfehlung gehen sie dann zu ihrer Hausärzt:in oder Gynäkolog:in, die dann die Hormone per Rezept verschreibt.
Viele meiner Patientinnen erhalten ihre Hormone vom Hausarzt oder Ärztin, da diese ihre Gesundheitsgeschichte meist besser kennen als die Gynäkolog:inen, die sie nur alle ein bis zwei Jahre sehen. Hausärzt:innen sind daher oft eher bereit, Hormone zu verschreiben. Vor allem, wenn die Alternative Antidepressiva oder Schlafmittel wären. Dennoch fehlt es oft an ausreichender Beratung, da Ärzte im hektischen Alltag nur wenig Zeit haben. 90 % aller Frauen, die zu mir kommen, bekommen Hormone verschrieben, sie bekommen aber keine Beratung dazu. Das ist ein sensibles Thema, bei dem eine umfassende Betreuung wichtig ist. Leider wird dies im medizinischen System häufig vernachlässigt.
Die Wechseljahre sind ein natürlicher Prozess, und niemand ist "schuld", dass diese Zeit herausfordernd sein kann. Es geht darum, die Frauen richtig abzuholen und ihnen zu helfen, diesen Lebensabschnitt besser zu verstehen und zu bewältigen.
Ich glaube, wir würden den Ärzten auch einen großen Gefallen tun, wenn wir selbstbestimmt zu ihnen gehen und sagen, was wir möchten. Das erfordert natürlich auch eine gewisse Bereitschaft, die Entscheidung, nach einer umfassenden und realistischen Aufklärung abzugeben.
Deutschland hängt bei vielen Themen zurück, auch in Bezug auf Hormone. Wie kann man das denn ändern oder woran liegt das?
Es ist schwer zu sagen, da ich keine Medizinerin bin. Hormone werden oft nicht genug beachtet und besonders bei Frauen in den Wechseljahren gibt es viel Nachholbedarf. Das Thema wurde lange ignoriert, und jetzt müssen wir Verantwortung für unseren Körper übernehmen. Ich glaube, wir würden den Ärzten auch einen großen Gefallen tun, wenn wir selbstbestimmt zu ihnen gehen und sagen, was wir möchten. Das erfordert natürlich auch eine gewisse Bereitschaft, die Entscheidung, nach einer umfassenden und realistischen Aufklärung abzugeben.
Wir Frauen müssen jetzt sagen: "Wir wollen gesehen werden, wir brauchen besondere Aufmerksamkeit." Die Wechseljahre sind ein faszinierender, magischer Prozess, der mehr Beachtung verdient. Auch bei meiner Tochter spreche ich offen über Themen wie die Periode. Ich will nicht, dass das ein Thema ist, wofür man sich schämen muss.
Das Gesundheitssystem ist überfordert, aber es liegt an uns, Verantwortung zu übernehmen. Wir sollten nicht auf andere warten, um uns zu sagen, wie wir uns fühlen, sondern uns selbst kennen und entscheiden, was wir brauchen. Wir müssen lernen, für uns einzutreten.
Beratung bedeutet für mich: Ich teile mein Wissen, aber die Entscheidung liegt bei dir. Wenn eine Frau sich gegen eine Behandlung entscheidet, ist das vollkommen in Ordnung. Frauen brauchen in erster Linie Gehör und Unterstützung, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Je mehr Frauen das tun, desto mehr wird sich verändern.
Welches ist in deiner Meinung nach das am meisten unterschätzte Hormon?
Bei Frauen würde ich sagen, dass Testosteron das am meisten unterschätzte Hormon ist. Natürlich sind Östrogen und Progesteron besonders wichtig, da sie stark schwanken und großen Einfluss auf unseren Körper haben. Aber Testosteron hilft einem, ein bisschen mehr in sich selbst zu ruhen und hilft, sich mit seinen Entscheidungen besser abgrenzen zu können und ist natürlich für die Libido ganz entscheidend. Wenn eine Frau zu viel oder zu wenig vom Testosteron hat, kann das genauso Symptome machen wie ein Östrogenmangel nur halt an einer anderen Stelle.
Das heißt aber nicht, dass Melatonin, Dopamin oder Serotonin usw. keinen Einfluss haben. Die haben genauso viel Einfluss, nur sinken sie langsamer im Alter Moderne Medizin sollte auf natürlichen Körperstoffen basieren, anstatt ständig künstliche Substanzen zu erfinden. Die Ansätze von Frau Dr. Orfanos-Boeckel, die den Körper mit seinen eigenen Stoffen behandelt, finde ich großartig. Es ist aufwendig, aber die Idee, den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist faszinierend. Warum nicht mit den eigenen Hormonen arbeiten, anstatt Medikamente zu erfinden, die oft unvorhergesehene Nebenwirkungen haben? Es wäre wundervoll, wenn wir lernen, unsere Stoffe besser zu nutzen und die Verantwortung für unser Wohlbefinden selbst zu übernehmen, statt immer auf Pharmaunternehmen zu vertrauen.
Die Wechseljahre sind ein natürlicher Prozess, und niemand ist "schuld", dass diese Zeit herausfordernd sein kann. Es geht darum, die Frauen richtig abzuholen und ihnen zu helfen, diesen Lebensabschnitt besser zu verstehen und zu bewältigen.
Was ist dann das größte Missverständnis gegenüber Hormonen?
Viele verstehen immer noch nicht den Unterschied zwischen synthetischen und bioidentischen Hormonen. Auch wenn bioidentische Hormone künstlich hergestellt werden, sorgt ihre Struktur dafür, dass sie dem natürlichen Hormon identisch sind. Gestagene, die zum Beispiel in der Pille verwendet werden, blockieren den Eisprung, verhindern den Aufbau der Schleimhaut und können möglicherweise auch andere Rezeptoren im Körper beeinflussen – was nicht immer positiv sein muss. Der genaue Einfluss ist oft unklar, und vieles wissen wir noch nicht genau. Es funktioniert irgendwie, aber die genaue Wirkung an bestimmten Stellen bleibt ein Rätsel.
Zum Abschluss unsere Me not Frage: Me not pause ist gleichzeitig ja auch unser Motto. Was ist denn dein Me not Moment?
“Okay” reicht nicht. Es kann auch echt großartig sein. Es sollte großartig sein. Das Leben, die Zukunft, die Wechseljahre, alles was danach kommt. “Okay” ist nicht genug.
Vielen Dank für das spannende Gespräch Birthe!
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